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Durch den Sommerregen

Durch den Sommerregen

Titel: Durch den Sommerregen
Autoren: Melanie Hinz
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gesprochen? Heute Mittag, im Coffeeshop? Das war echt beschissen. Ich bin zu alt für solche Spielchen.“
    „Die Frage gebe ich gerne zurück“, antwortet er pampig und lässt sich dennoch ganz selbstverständlich neben mir nieder. „Du hast auch nichts gesagt. Einerseits fand ich den Moment witzig, andererseits …“
    „Was?“ Träge drehe ich mich zu ihm.
    „Du hast wirklich keine Ahnung, oder?“
    „Wovon?“
    Er sieht verlockend aus auf meiner Couch. Selbst mit einem halben Meter Abstand zwischen uns kann ich ihn immer noch riechen. Im Krankenhaus bin ich ihm so nah gewesen, nur um mich von der Tätigkeit des Arztes abzulenken. Doch ich hab nicht vergessen, wie erstaunlich anschmiegsam seine Schulter ist und wie warm er sich anfühlt.
    „Wenn ich dich sehe, dann fühle ich mich wie der letzte Idiot. Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll, damit du mich nicht für einen völligen Spinner hältst. Ich mag dich und ich würde dich wirklich gerne besser kennenlernen, aber du machst es mir wahrlich nicht leicht. Du verunsicherst mich.“
    Was redet er da? Gabriel flirtet mit jedem Rock, der ihm in die Quere kommt. Zwar ist er nicht anzüglich, doch selbst bei älteren Damen dreht er seinen Charme auf volle Leistung. Bei mir hat er das allerdings nie gemacht. Bislang habe ich mir da nie viel bei gedacht, außer, dass es schlicht eine Reaktion auf meine zurückhaltende Art ist.
    Meine nächsten Worte muss ich mir gut überlegen, denn ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, ihm einzugestehen, dass ich ihn mehr als nur ein bisschen anziehend finde.
    „Du könntest ziemlich jede haben, und dennoch hängst du dich an die Frau, die sich dir nicht an den Hals wirft.“
    „Genau deswegen, Helena. Was dir gerade merkwürdig vorkommt, solltest du dir noch mal durch den Kopf gehen lassen. Dann würdest du verstehen, dass gerade das einen großen Teil deiner Anziehung ausmacht. Du bist freundlich zu mir, ja. Aber das ist es auch schon. Kein mädchenhaftes Gekichere, kein flacher Small Talk. Wenn du etwas sagst, hast du auch tatsächlich etwas zu sagen. Dass ich dich zudem noch überaus attraktiv finde, schadet natürlich nicht.“
    Er meint das wirklich ernst.
    „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
    Wenn das alles wahr ist, dann hat er sich wirklich die falsche Frau ausgesucht.
    „Dann sag gar nichts.“

    Man sollte annehmen, dass er den Wink versteht und sich verabschiedet, wenn ich unter die Dusche möchte. Aber nicht Gabriel. Nachdem er mir geholfen und sogar das Blut- und Scherbenmassaker auf dem Balkon beseitigt hat, verlässt er zwar gerade meine Wohnung, doch nur, um uns etwas Essbares beim Chinesen zu besorgen.
    Was mache ich mit ihm? Ihn in mein Bett holen? Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Dafür ist er räumlich zu nah. Einer Affäre sollte man nach dem Ende aus dem Weg gehen können. Das geht schlecht, wenn ich ihn jeden Tag sehe.
    Doch der Gedanke ist verlockend, endlich mal etwas anderes als meine Bettdecke zwischen den Schenkeln zu spüren.
    Nach einer kurzen, ungelenken Dusche, kuschele ich mich in meinen Bademantel und will gerade ins Schlafzimmer gehen, um mich anzuziehen, als Gabriel schon wieder an der Tür klingelt.
    Na wunderbar. Wenigstens ein bisschen Privatsphäre hätte er mir gönnen können.
    Mit einem angestrengten Lächeln öffne ich meine Wohnungstür. Doch in dem Moment, wo mich sein freches Grinsen trifft, taue ich wieder auf.
    Er nervt mich nicht, ich nerve mich nur selbst. Also hole ich einmal tief Luft und lasse mich von seiner positiven Aura mitreißen.

    „Iss auf, Helena. Du hast viel Blut verloren.“
    Oh, dieser Akzent. Wenn der nicht wäre, dann würde ich ihm jetzt die Essstäbchen aus der Hand schlagen, mit denen er versucht, mich zu füttern. Doch stattdessen öffne ich brav den Mund und nehme den letzten Bissen gebratene Ente entgegen.
    „Das sah schlimmer aus, als es war“, sage ich noch mit halbvollem Mund.
    „Genau. Deswegen bist du fast ohnmächtig geworden.“
    „Ich kann mein eigenes Blut nicht sehen. Da reicht ein kleiner Schnitt am Finger oder Ähnliches.“
    Gabriel sieht auf meine Hände.
    „Seit wann?“, fragt er und zeigt auf meinen rechten Ringfinger. Der Abdruck ist immer noch da.
    „Fast zwei Jahre.“ Die Direktheit seiner Frage überfährt mich, sodass die Antwort schon fast automatisch kommt.
    Mit einem Nicken nimmt er die Information zur Kenntnis, geht jedoch nicht weiter darauf ein. Offenbar weiß er, was für ihn gut
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