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Durch den Sommerregen

Durch den Sommerregen

Titel: Durch den Sommerregen
Autoren: Melanie Hinz
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Arm genommen. Wenn diese Umstände doch zustande gekommen wären, dann will ich mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn er von ihr vollgespuckt worden wäre.“
    Die Vorstellung lässt mir einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen.
    „Du bist nicht wie er. Du hast keinen Hass in dir, Gabriel. Im Gegenteil, du hast so viel Liebe für die Menschen in deinem Umfeld, dass es mir die Tränen in die Augen treibt. Ich beneide dich darum, dass du weiterhin dein Herz öffnen kannst.“
    Mit schief gelegtem Kopf schaut er mich an und versucht es mit einem gequälten Lächeln. In dem Moment klopft es an der Haustür. Sichtbar erleichtert, dass er darauf nichts mehr sagen muss, geht er mit Mila auf dem Arm ins Wohnzimmer, um Emma und Sam reinzulassen.

    Hund und ihre vier Babys haben einen provisorischen Platz in einer Kiste vor dem Kamin bekommen. Gerade hoch genug, damit keines von den kleinen Monstern unbeaufsichtigt auf Wanderschaft geht, aber nicht so hoch, dass Hund , trotz geschwollener Milchdrüsen, noch problemlos über den Rand steigen kann.
    Es ist schwer, sich von den fiependen Fellmonstern zu trennen und ihnen nicht den ganzen Tag zuzusehen, wie sie mit noch geschlossenen Augen übereinander robben. Hund ist auf einmal zu einer tiefenentspannten Katze geworden, die aber auch großes Vertrauen hat, wenn Gabriel ihre Babys sortiert, damit auch alle genug trinken.
    „Was machst du mit ihnen, wenn sie alt genug sind, um sie abzugeben?“, frage ich von meinem Beobachtungsposten auf dem Boden. Gabriel sitzt auf der Couch und tippt konzentriert auf seinem Smartphone herum. „Du wirst sie doch nicht alle behalten, oder?“
    „Nein, auf keinen Fall. Maximal einen würde ich hier halten, aber alles andere ist zu viel. Vielleicht frage ich mal beim Tierarzt, den ich ja nun doch kontaktieren sollte. Und sei es nur, um Hund zu sterilisieren, damit das nicht noch mal passiert.“
    „Was ist, wenn ich eine nehmen wollte?“
    Gabriel legt sein Handy auf den Tisch und setzt sich neben mich auf den Boden.
    „Halte ich für keine gute Idee“, sagt er und küsst mich auf den nackten Oberarm.
    Beleidigt schiebe ich die Unterlippe vor. „Und warum nicht? Glaubst du, ich könnte mich nicht um eine Katze kümmern.“
    „Das meine ich nicht, mon chouchou . Es wäre mir nur lieber, wenn du dich hier um sie kümmern würdest. Du bist ja doch mehr bei mir als ich bei dir und wenn du eine zu dir nimmst, dann kostet uns das ungemein viel gemeinsame Zeit, denn gerade am Anfang kannst du sie nicht lange alleine lassen.“
    Natürlich hat er nicht ganz Unrecht, das würde uns viel Zeit nehmen. Zudem muss ich mir eingestehen, dass ich mich bei ihm sehr wohl fühle, wohler als in meiner eigenen Wohnung.
    Für ihn ist es klar, dass wir möglichst viel Zeit miteinander verbringen. Seine Selbstverständlichkeit ist ansteckend und nimmt mir eine Menge meiner Skepsis, die ihren Ursprung in einem Gefühl hat, das Sebastian mir erfolgreich eingepflanzt hat. Das Gefühl, nur noch geduldet zu sein, nachdem man nicht mehr das junge, naive Spielzeug für ihn ist. Gabriel sieht mich nicht von diesem Standpunkt, das hat er noch nie.
    „Du hast recht. Es ist wirklich keine gute Idee. Das heißt aber auch, dass du mich jetzt noch öfter am Hals hast.“
    „Von mir hörst du keine Klagen. Ganz im Gegenteil. Für mich ist jede Nacht, die du nicht bei mir bist, verschwendete Zeit.“
    Für mich bedeutet jede Nacht ohne ihn vor allem keinen Schlaf, aber das ist ja fast dasselbe.

    Mit nacktem Oberkörper steht Gabriel am Waschbecken und zieht ein um die andere Bahn mit dem Nassrasierer über seine Kinnpartie. Ich hocke mit angezogenen Knien auf dem geschlossenen Toilettendeckel und benötige einen Moment, um zu verstehen, was er da tut. Dieses Mal stutzt er nicht nur die Länge und säubert die Konturen, er rasiert alles ab.
    „Was machst du da?“, rufe ich schockiert und springe sofort auf.
    „Wonach sieht es denn aus?“
    Ich bin kurz davor, ihm den Rasierer aus der Hand zu nehmen.
    „Warum?“ Er hätte mich ja wenigstens vorwarnen können.
    „Mir ist gerade danach.“ Mit halb rasiertem Gesicht dreht er sich zu mir und sieht mich herausfordernd an.
    „Ich kenne dich ohne Bart nicht.“
    „Keine Sorge, ich bin dann immer noch derselbe, nur sehe ich nicht mehr allzu sehr wie mein Vater aus.“
    Keine Ahnung, wo dieser Anflug von Selbsthass gerade herkommt, denn bis vor wenigen Minuten schien er noch allerbester Laune zu sein.
    Ich
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