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Durch den Sommerregen

Durch den Sommerregen

Titel: Durch den Sommerregen
Autoren: Melanie Hinz
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Schulterzucken würde ich ihm abnehmen, wenn ich nicht das schelmische Blitzen in seinen Augen bemerkt hätte.
    Ich möchte ihn wirklich gerne küssen.
    „Dann sollte ich jetzt besser gehen. Ich will ja nicht, dass wegen mir die Schlange vor der Tür zu lang wird.“
    Nur um zu sehen, wie weit er das Spiel mitspielt, schiebe ich meine Tasse von mir und stehe auf.
    Gabriel greift sofort nach meinem Handgelenk und hält mich davon ab, auch nur einen Schritt zurückzutreten.
    „Bleib! Bitte, Helena.“ Langsam lehnt er sich über die Theke. Er ist so nah, dass ich den süßlich-herben Duft des Tees in seinem Atem riechen kann. Nur noch wenige Zentimeter trennen unsere Lippen. Gabriel schaut immer wieder zwischen meinem Mund und meinen Augen hin und her. Mein Herz pocht heftig.
    Drei Dinge passieren in der nächsten Sekunde beinahe gleichzeitig: Ein markerschütternder Donner lässt uns zusammenzucken, ein rotes Fellknäuel schießt zwischen meinen Füßen durch und Gabriel krümmt sich vor Schmerzen.

7.
    „ Hund ? Du hast deine Katze Hund genannt?“
    Mir laufen die Tränen über die Wangen, weil ich nicht aufhören kann, zu lachen. Den Namen seiner Katze hat er in den folgenden Sekunden einige Male gebrüllt. Diese Situation ist so bizarr, wie sie sonst nur in einer schlechten Slapstick-Komödie passieren kann.
    Trotz seines schmerzverzerrten Blicks muss auch Gabriel lachen. Gemeinsam sitzen wir auf dem Küchenboden, wo er gerade seine blutigen Waden inspiziert.
    Hund ist aus Angst vor dem Gewitter an seinen Beinen hochgewetzt, weil er auf seinen beschützenden Arm wollte. Durch die Schmerzensschreie völlig aus der Fassung gebracht, ist der arme Kater jetzt hinter den Mülleimer gekrochen, wo er schon faucht, wenn man ihn nur ansieht.
    „Er ist mir zugelaufen, da war er so klein, dass er noch zu seiner Mutter gehört hätte. Ich konnte aber in der Umgebung keine Katze mit einem frischen Wurf ausmachen, obwohl ich die ganze Nachbarschaft abgeklappert habe. Eigentlich wollte ich ihn nicht behalten, aber er ist mir wie ein Hund überall hin gefolgt und ich hab es nicht übers Herz gebracht, ihn wegzugeben. Aus „Du bist wie ein Hund“ wurde irgendwann der Name Hund .“
    „Und er kommt auf deinen Arm, wenn er Angst hat? Du weißt schon, dass das kein normales Katzenverhalten ist?“
    Ich greife nach der Küchenrolle und reiße für ihn zwei Blätter ab, bevor das Blut auf den Boden tropft.
    „Weiß ich“, sagt er und drückt die Papiertücher auf die Kratzer. „Aber er war noch so klein, als er hier reingestolpert ist, dass ich ihn mit der Flasche aufziehen musste. Da hat er eine sehr skurrile Bindung zu mir entwickelt.“
    „Das solltest du desinfizieren. Katzenkrallen sind eine dreckige Angelegenheit. Hast du Betaisodona oder etwas Ähnliches hier?“
    Vorsichtig schaue ich über meine Schulter zu Hund , was direkt mit einem garstigen Fauchen quittiert wird. Das Gewitter scheint erst begonnen zu haben.
    „Im Bad. Spielst du jetzt meine Krankenschwester?“, fragt er mit einem Zwinkern.
    „Ein Ausflug in die Notaufnahme ist dafür wohl nicht notwendig. Aber ich kann dir ein paar Pflaster verpassen. Das bekomme ich mit anderthalb Händen gerade noch hin.“ Außerdem gibt es mir die Möglichkeit, seine Waden zu berühren. Hab ich schon erwähnt, dass ich eine Schwäche für muskulöse Männerwaden habe?

    „Du wirst nicht nach Hause fahren, Helena. Es regnet immer noch wie aus Eimern und die Straßen stehen unter Wasser. Ich weiß nicht, wo das Problem liegt? Du musst morgen nicht arbeiten, also kannst du auch bei mir bleiben. Es gibt keinen guten Grund, um diese Uhrzeit überstürzt aufzubrechen.“
    Da der Donner nur noch in der Ferne zu hören ist, hat Hund sich wieder rausgetraut und gleich auf meinem Schoß breitgemacht. Die Sonne ist inzwischen vollständig untergegangen. Gabriel hat nur ein paar Kerzen angezündet und den kleinen Kamin angemacht, vor dem wir uns auf der Couch niedergelassen haben. Ehrlich gesagt, fühle ich mich hier wohl und bin auch müde genug, um auf der Stelle einzuschlafen.
    „Ich will dir nicht zur Last fallen und außerdem gehöre ich in mein eigenes Bett.“ Lügnerin!
    „Stimmt, ich finde es total belastend, mit dir Zeit zu verbringen. Deswegen kämpfe ich um jede Minute. Du bist echt ein Fall für sich, schöne Frau. Also, was wollen wir zu Abend essen?“
    „Für mich gar nichts. Ich bin noch vom Mittagessen bei meinen Eltern satt. Zeig mir lieber deine Tattoos.“
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