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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung
Autoren: V.C. Andrews
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ist draußen.«
    »Draußen?«
    »Erzähl mir nur nicht, daß du noch nie von einem Abort gehört hast, Kind?«
    »Ein Abort?« Ich warf Luke einen Blick zu.
    »Sei unbesorgt, Angel. Als allererstes werde ich dir einen eigenen Abort bauen. Sobald ich morgen aus der Stadt zurückkomme, werde ich damit anfangen.«
    »Was ist ein Abort?« fragte ich zaghaft.
    Lukes Mutter lachte.
    »Du hast dir doch wirklich ein Stadtkind ausgesucht, was, Luke? Ein Abort ist eine Toilette, Angel. Man geht zu diesem kleinen Häuschen, wenn die Natur ruft, und dort setzt man sich auf ein Brett mit zwei Löchern.«
    Möglicherweise wurde ich ein wenig blaß. Ich weiß es nicht.
    Aber Lukes Mutter lächelte jetzt nicht mehr, sondern sah ihren Sohn vorwurfsvoll an. Er stellte meinen Koffer ab und umarmte mich.
    »Ich werde dir etwas wirklich Hübsches bauen, Angel.
    Schließlich werde ich im Handumdrehen genug Geld haben, um uns ein Haus im Tal zu bauen.«
    »Weißt du, wie man Kaninchen zubereitet?« fragte Annie Casteel. Ich blickte auf und sah, wie sie zwei tote Kaninchen an den Ohren aus einem kleinen Kühlbehälter zog. Ich schnappte nach Luft und schluckte. »Warte nur, wenn ich sie erst gehäutet habe, zeige ich dir das Rezept von meiner Mutter.«
    »Ma kocht das beste Kaninchen, das du je gegessen hast«, schwärmte Luke.
    »Ich habe noch nie Kaninchen gegessen, Luke«, sagte ich und kämpfte mühsam gegen meine Atemnot an.
    »Dann wirst du bald eine Köstlichkeit kennenlernen«, erwiderte er. Ich nickte hoffnungsvoll, holte tief Atem und sah mich um. Lukes Mutter und Vater waren so ziemlich die ärmsten Menschen, die ich je gesehen hatte, aber wenn ich mir Toby Casteel anschaute, sah ich ein strahlendes, glückliches Lächeln auf seinem Gesicht. Lukes Mutter strotzte vor Stolz und Kraft. Ich war durcheinander, müde und verängstigt. Das Leben hatte mich in genau dem Augenblick vor eine neuerliche Herausforderung gestellt, in dem ich geglaubt hatte, in ein verzaubertes Leben voller Glück einzutreten. Aber ich erkannte, daß hier die Zeit und der Platz für Tränen fehlten.
    Hier gab es nur Arbeit, den Kampf ums Überleben. Vielleicht war das gar nicht schlecht für mich. Vielleicht würde ich stärker, kräftiger und robuster, und vielleicht konnte ich dann dem Bösen ins Gesicht sehen.
    »Jemand muß diese Kartoffeln schälen«, sagte Annie Casteel und deutete auf einen Berg Kartoffeln, die auf dem Boden lagen.
    »Das mache ich«, erbot ich mich freiwillig, obwohl ich es noch nie getan hatte. Sie sah mich skeptisch an, aber das bestärkte mich nur in meiner Entschlossenheit. »Wo ist der Kartoffelschäler?« fragte ich. Lukes Mutter lächelte. »Wir haben keine tollen Geräte, Angel. Nimm einfach dieses Taschenmesser da, und schneid nicht zuviel ab.«
    Dann wandte sie sich um. »Luke, du wirst Angels Sachen jetzt hinter den Vorhang bringen.«
    »Hinter den Vorhang? Aber wo werdet ihr schlafen, du und Pa?« fragte Luke mit einem besorgten Blick.
    »Wir schlagen uns ein Lager auf dem Fußboden auf. Das ist kein Problem. Wir haben doch schon öfter auf Decken auf dem Boden geschlafen, stimmt’s, Pa?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Aber…«
    »Jetzt fang bloß nicht an zu streiten, Luke. So wie ich dich kenne, wirst du gleich ein Baby wollen. Ich habe sogar den Verdacht, du hast vielleicht schon damit angefangen«, sagte sie und sah mich an, als sei es ihr möglich, mir die Schwangerschaft im Gesicht anzusehen. »Alle Casteels werden in Betten gezeugt«, fügte sie hinzu. »Ich hoffe und bete, daß es immer so bleiben wird.«
    »Einverstanden, Ma.« Luke zog den Vorhang zurück, und dahinter stand ein breites Messingbett mit einer alten, durchgelegenen, fleckigen Matratze auf ausgeleierten Sprungfedern. Wie groß war doch der Unterschied zwischen diesem Bett und dem in dem billigen Motel, in dem wir die letzte Nacht geschlafen hatten, dachte ich. Aber es war unser erstes Ehebett. Wir mußten uns damit begnügen.
    Zwei verschiedenere Welten als die von Farthinggale Manor und die der Casteels konnte es wohl nicht geben. Ich hatte mich entschlossen, von Farthy fortzulaufen, und ich hatte mich gleich so weit davon entfernt, daß es schien, als existierten meine Mutter und Tony und alles, was ich zurückgelassen hatte, auf einem fernen Planeten in einem anderen Sonnensystem. Ich war schockiert und fürchtete mich, aber ich war entschlossen, nicht umzukehren.
    Trotz ihrer rauhen Art, ihrer derben Ausdrucksweise und ihrer kritischen
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