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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1
Autoren: Elin Hirvi
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es kaum hören, geschweige denn verstehen. Dieser Jemand war viel feiner gekleidet als die anderen, aber Ramis konnte damit nichts anfangen. Schließlich fasste ihr Träger sie wieder fester und trug sie in eine Kajüte, wo er sie auf einem Bett ablegte. Als das getan war, verließ er das Zimmer, um einem anderen Platz zu machen. Dieser schälte sie nun aus den nassen Kleidern und rubbelte sie dann kräftig mit einem Tuch ab. Ramis versuchte schwach, sich zu wehren. Immerhin kehrte allmählich das Gefühl in ihre Glieder zurück, dafür begann es gleichzeitig zu schmerzen. Als der Mann mit dieser Prozedur fertig war, wickelte er sie in einen Stapel Decken und ging ebenfalls.
    Eine Weile blieb Ramis allein. Mit der Wärme kehrten auch die Gedanken zurück und Ramis zuckte zusammen, als ihr die Geschehnisse in ihrem vollen Ausmaße klar wurden. Sie lebte noch! Das Wunder, das Unglaubliche war geschehen und sie war dem sicheren Tod entkommen. Und nicht nur das, sie war auch Fayford entkommen. Fast neigte sie dazu, zu glauben, der Sturm, wäre nur wegen ihr aufgezogen, um sie zu retten. Es war ja auch allzu unglaublich. Aber dann dachte sie an die Mannschaft des Schiffes und an den jungen Mann. Weshalb sollte man sie retten und damit Unschuldigere töten? Es würde sogar eine Schuld auf sie, die Todgeweihte, werfen. Die Ironie ließ sie bitter auflachen. Gerade ihr hätten so viele den Tod gewünscht, es war doch ihr Schicksal, das schon bestimmt gewesen war. Sie verschluckte sich und musste husten. Vorher hatte sie die Hoffnung gar nicht erst zulassen wollen, doch noch zu entkommen. Nun saß Ramis hier, in der Gewalt fremder Leute, aber konnte es denn schlimmer als vorher werden? Ramis hoffte, dass wenigstens auch der freundliche junge Mann überlebt hatte. Seine Minverva sollte nicht umsonst auf ihn warten.
    Während Ramis über die Unberechenbarkeit des Schicksals nachdachte, musterte sie die Kajüte. Sie war sehr prunkvoll eingerichtet, die Möbel waren mit Goldfarbe verziert und dicke Polster bedeckten alle Stühle. Ramis lag selbst in einem großen Himmelbett mit seidenen Laken, die sich merkwürdig kühl anfühlten. Der Bewohner musste sehr reich sein, sonst wäre der Raum nicht mit so vielen unnötigen Dingen ausgestopft. Wozu benötigte man auf See unbedingt einen ganzen Toilettentisch ? Ihre eigene Kajüte war um so vieles sparsamer gewesen und sie hatte sich darin immer wohlgefühlt. Gewesen... Da wurde Ramis klar, dass sie sich schon mit dem Gedanken abgefunden hatte, nie wieder zurückzukehren. Dabei wusste sie ja noch gar nicht, wohin sie diese Leute bringen würden, vielleicht ließ man sie sogar gehen. Oder aber... Trotz der Hilfe, die ihr die Menschen dieses Schiffes angedeihen lassen hatten, konnte Ramis sich des Misstrauens nicht erwehren. Schlechte Erfahrungen mit falscher Freundlichkeit hatten sie vorsichtig gegenüber fremden Menschen gemacht. Wollte Talamara ihr anfangs nicht auch Böses? Bis jetzt hatte sie nicht über die Verstorbene nachgedacht, nach deren Tod war alles so schnell gegangen. Würde jemand außer Fanny wirklich um Talamara trauern? Ramis glaubte jedenfalls, keine Kraft mehr dazu zu haben, richtig bewusst um Talamara zu trauern. Hätte sie denn dazu überhaupt die Berechtigung gehabt? Schließlich waren sie bis zum Schluss kaum Freundinnen gewesen. Aber über Tote sollte man ja nichts Schlechtes reden... Immerhin hatte Talamara sich im Grunde genommen geopfert, indem sie alles verriet, was ihr etwas bedeutet hatte. Wie viele Menschen, die er kaltblütig für seine Zwecke missbrauchte, hatte dieser elende Fayford eigentlich schon auf dem Gewissen? Ramis wünschte sich nun noch mehr, ihn mit ihren eigenen Händen erwürgen zu können. Wenn sie den Tod verdient hatte, er noch mehr. Aber sie würde ihn vermutlich nie wieder sehen und die Sache zwischen ihnen würde niemals bereinigt werden. Jedenfalls würde sie nicht wieder töten, nein, damit musste es ab sofort vorbei sein, egal, ob sie wieder auf die Fate gelangte oder nicht. Nur so konnte sie das werden, was Thomas bei seinem Tod in ihr gesehen hatte, was Martha gemeint hatte, wenn sie sagte: "Mein liebes Mädchen..." Ramis wickelte sich enger in die Decken, noch immer fror sie. Unaufhaltsam klappten ihre Augenlider herunter und sie versank in der wohligen Dunkelheit des Schlafes.
     
    Die Tatsache, dass sich jemand Fremdes im Raum befand, ließ Ramis aufwachen. Sie konnte mit dem jungen Mann, der neben ihrem Bett stand und sie
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