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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1
Autoren: Elin Hirvi
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also würde sie einen Ort aussuchen, an den er bald kommen würde. Nein, es war ihr unmöglich zu gehen, ohne dass sie zumindest einen Brief hinterlassen hatte. Warum hatte sie sich eigentlich kein Pferd gemietet, dachte sie sich auf ihrem langen Fußmarsch. Trotzdem war es noch früh genug, als die baufällige Hütte in Sicht kam, James würde es erst in einiger Zeit für nötig halten, hier Stellung zu beziehen. Talamara zog die knarrende Tür auf und betrat das Innere der Hütte. Es war ein altes Fischerhaus, möglichst einfach eingerichtet. Die Möbel, die vorhanden waren, verfaulten bereits. Talamara legte den Brief auf dem Tisch ab, doch danach zögerte sie auf einmal. Sollte das wirklich alles sein? Wie konnte sie glauben, fähig zu sein, ihn zu verlassen? Sie war wie eine Süchtige, ihr ganzes Tun war auf ihn ausgerichtet gewesen. Zweifel an ihrem Vorhaben kamen ihr. Ihre Seele gehörte noch immer ihm.
    Aber zu einer Umkehr war es jetzt zu spät. Nein, sie würde es zu Ende führen. Entschlossen verließ sie das Haus, aber dieses Zögern, dieses kurze Zweifeln kostete sie schließlich alles. Ein zweites Mal war sie nicht skrupellos genug gewesen, wo sie es hätte sein sollen. Die Hütte war auf der Klippe erbaut, der Weg nach unten von Soldaten versperrt. Talamara erkannte James unter ihnen, mit seiner üblichen lockeren Eleganz saß er im Sattel. Er schien nicht überrascht, sie zu sehen. Tatsächlich hatte er wohl ihren Verrat geahnt. Nichts an ihm verriet Wut oder Enttäuschung, als sie sein Gesicht klar sehen konnte.
    "Talamara ", meinte er einem Bedauern, das sowohl echt als auch unecht sein konnte. "Warum musstest du mich verraten? Habe ich dir nicht genug gegeben?"
    Nein , wollte sie sagen, nein, ganz und gar nicht! Und ich schulde dir gar nichts mehr.
    Aber sie brachte kein Wort heraus.
    "Es war ein Fehler, du naive Zigeunerin, den du bezahlen wirst."
    Ihr Leben war verwirkt, in jedem Fall. Talamara wich mit großen Schritten zurück, ihr Entschluss stand fest. Sie war eine freie Frau und das konnte er ihr nicht mehr nehmen. Mit dem wilden Stolz, der ihr stets zu Eigen gewesen war, richtete sie sich auf und trat zu den Klippen. Wenigstens ihren Tod würde sie frei wählen. Sie blickte ihren Herrn dabei die ganze Zeit an. Zum ersten Mal zeigte sich eine Regung in seinem Gesicht: Überraschung. Er hatte die Macht über ihren Willen verloren, auch wenn sie ihn immer noch liebte. Talamara bedauerte nichts mehr, es war der einzige Weg, allem zu entkommen. Als sie über den Rand trat, schaute sie nicht nach unten, dennoch drang das Rauschen und Krachen der Wellen herauf, die sich gegen die Klippen brachen. Die langen Flechten ihres schwarzen Haares flatterten ungezähmt auf, als die Schwerkraft Talamara erfasste. Lautlos stürzte sie in die Tiefe.
    Fayford ritt zum Rand der Klippe und warf einen Blick hinunter. Unten schäumte die Gischt, von einem Sturmausläufer aufgepeitscht. In dem Gebrodel war nichts mehr zu sehen. Fayfords Miene war eine Maske. Schließlich wendete er sein Pferd und gab seinen Leuten neue Befehle.
     
    "Wenigstens einen Fang haben wir gemacht."
    Das war natürlich Fayford. Der Soldat stieß Ramis vor ihm auf den Boden.
    "Talamara hat sich also letztendlich doch noch bewährt."
    "Was habt Ihr mir ihr gemacht?" , schrie Ramis ihn an.
    Fayford lachte ausnahmsweise nicht.
    "Ich habe gar nichts getan. Sie wählte selbst den Tod."
    Mit einer Armbewegung deutete er in Richtung der Hütte.
    "Die Klippe..." , murmelte Ramis. "Ganz ohne Zwang ist sie sicher nicht gegangen!" Heller Zorn packte sie mit aller Gewalt. "Elender Mörder!"
    Kalt erwiderte er ihren Blick.
    "Ihr solltet Euch wünschen, ebenfalls die Gelegenheit zu haben, Euch dort hinunterzustürzen. Aber noch einmal werde ich keinen entkommen lassen. Dann werdet Ihr eben für Talamara mit bestraft. Schuld an ihrem Verrat seid Ihr ja ohnehin schon."
    "Lügner! Sie hat lediglich erkannt, welch ein Teufel Ihr in Wahrheit seid!"
    Nun lächelte er doch sarkastisch.
    "Sie kannte mich schon immer, meine Liebe. Was Ihr ihr eingeredet habt, war Blendwerk, das musste sie am Ende erkennen. Hätte sie mir sonst diesen Brief zukommen lassen wollen? Sie hat unweigerlich sehen müssen, dass ihr Geschwätz von Freiheit und Stolz töricht war. Habe ich Euch nicht schon einmal gesagt, wie schnell der Stolz im Dreck liegt? Der Spruch stammt doch ursprünglich von Euch... Es ist lange her - aber nicht lange genug, um zu vergessen... 'Stolz ist ein
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