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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte
Autoren: Simon Mockler
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dienen sollten.
    »Dr. Seladin, es freut mich sehr, Sie kennenzulernen.« Der weltmännisch auftretende Chinese war kaum größer als ein Meter fünfzig und um die Mitte fast genauso breit. Ahmed wusste nicht recht, was er erwartet hatte, aber mit Sicherheit nicht das. Der Mann bewegte sich leichtfüßig, seine Leibesfülle schwankte von einer Seite zur anderen wie bei einem Kreisel, und er sprach mit starkem französischem Akzent. Dass ihn der Chinese mit Titel ansprach, war eindeutig als Appell an seine Eitelkeit zu verstehen. Ahmed durchschaute das durchaus, fühlte sich aber dennoch geschmeichelt.
    »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Mr. …« Wie hieß der Mann überhaupt? Der Kontakt war über Dritte zustande gekommen, über eine Armada von Strippenziehern, Assistenten und Vermittlern.
    Der Chinese hob einen Finger an die Lippen und legte die Stirn in Falten. »Monsieur Blanc«, sagte er schließlich. »Ja, das dürfte für den Moment genügen.« Ein wissendes Lächeln deutete sich auf seinem Gesicht an, das jedoch seine Augen nicht erreichte, die undurchdringlich und schwarz blieben. »Ich habe ein paar Erfrischungen bestellt.« Er deutete auf einen Teller mit Gebäck und eine Kanne Tee. »Ich weiß, es ist schon spät, aber ich kann nicht anders, ich muss immer Nachmittagstee bestellen, wenn ich in London bin. Dieses Hotel ist berühmt dafür«, fügte er hinzu, ohne dass sich an seiner kalt lächelnden Miene etwas änderte.
    Ahmed nickte. Sein Magen knurrte, allerdings stand ihm der Sinn ganz und gar nicht nach Cremetörtchen.
    »Ich hoffe, die Operationen, die Sie durchzuführen hatten, sind glatt verlaufen und die entnommenen Module haben keinen Schaden genommen.« Monsieur Blanc wählte mit Bedacht eine Blätterteigschnitte und goss Tee durch ein Sieb. Ahmed dachte an das eine, das ihm aus der Hand gefallen war. Er hatte es sich ans Ohr gehalten, um zu prüfen, ob das kleine Herz noch schlug.
    »Erfreulicherweise hat es keine Probleme gegeben«, erwiderte er.
    »Hervorragend. Selbstverständlich haben wir auch nicht erwartet, dass ein Chirurg Ihres Formats auf Schwierigkeiten stoßen könnte. Befinden sich die Module in dieser Tasche?« Monsieur Blanc deutete mit einem seiner fleischigen Finger auf die Aktenmappe auf dem Tisch. Ahmed nickte. Zwei Männer erschienen und nahmen die Tasche mit ins Schlafzimmer. Ahmed sah durch die offene Tür, wie sie den Inhalt herausnahmen.
    »Ich fürchte, es wird noch einen Augenblick dauern. Sie müssen prüfen, ob alles in Ordnung ist.« Monsieur Blanc nippte an seinem Tee. »Haben Sie vor, länger hierzubleiben und sich die Stadt anzusehen? London hat so viel zu bieten, finden Sie nicht? Man kann hier selbst die ungewöhnlichsten Vorlieben befriedigen.«
    Ahmed rieb sich die Augen. War das eine Anspielung auf seine Affäre mit Padma oder nur eine harmlose Bemerkung? Es hätte ihn nicht überrascht, wenn Monsieur Blanc ein Dossier über ihn zusammengestellt und seine Vergangenheit bis ins Detail durchleuchtet hätte. Er schien äußerst akkurat und bedachtsam zu sein. Aber für Ahmed spielte das keine Rolle. Er zählte die Minuten, bis sein Flug nach Hause gehen und das Geld sicher auf seinem Konto auf den Caymans angekommen sein würde.
    »Nein, Monsieur Blanc, vielleicht ein andermal«, antwortete er und streckte die Hand nach einem Stück Kuchen aus. Vielleicht würde er so bald nichts mehr zu essen bekommen. Einer der Männer kam aus dem Schlafzimmer zurück, beugte sich zu Monsieur Blanc herunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Doch statt den Kuchen zu nehmen, musste Ahmed mit Erstaunen verfolgen, wie das Stück vom Teller schoss, von einem schweren Stiefel quer durch den Raum gekickt. Ehe er begriff, wie ihm geschah, wurden seine Unterarme gegen die Armlehnen seines Sessels gepresst, und zwei Männer hielten ihn wie in einem Schraubstock gefangen. Raue Hände machten sich an seinem Hals zu schaffen, er hörte das Surren von Stoff und das Gelächter des Söldners.
    Monsieur Blanc stand auf und wischte sich vorsichtig die Hände an einer Serviette ab. In aller Ruhe beobachtete er, wie Ahmed die Augen aus den Höhlen traten und ihm der Schweiß auf der Stirn ausbrach. Mit einem tiefen Seufzen trat er hinter ihn. Trotz seiner Panik fiel Ahmed ein eigenartiger Geruch auf. Ein durchdringender und unangenehmer Geruch, in den sich der süßliche Duft von Rosenwasser mischte.
    »Dr. Seladin, ich bin für viele Dinge bekannt, aber nicht für Geduld. Ich werde
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