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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont
Autoren: David Farland
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wandte. Gaborn wußte, in den bevorstehenden Kriegen würde er sein Volk in Mystarria auf keinen Fall angemessen verteidigen können.
    Obwohl Heredon seit vierhundert Jahren an keinem größeren Krieg mehr beteiligt gewesen war, waren die großen Festungsmauern intakt geblieben. Selbst die Festung am bescheidenen Tor Ingel, zwischen Klippen gelegen, ließ sich besser verteidigen als die meisten von Gaborns Besitzungen in Mystarria. Gaborn war auf dieses Land angewiesen. Er mußte Iome um ihre Hand bitten und sie bekommen.
    Wichtiger noch, auch wenn er nicht wagte, es jemandem einzugestehen, irgend etwas in seinem Innern sagte ihm, daß er Iome selbst brauchte. Ein seltsamer Zwang zog ihn hierher, gegen jeden gesunden Menschenverstand. Als hätte er eine ferne Stimme rufen hören. Seit Jahren hatte er gegen diesen Drang angekämpft, bis er sich ergeben hatte.
    Myrrima betrachtete Gaborn erneut mit ihrer erstaunlichen Offenheit. Dann lachte sie unbekümmert. »Nein«, sagte sie.
    »Iome wird Euch nicht nehmen.«
    In ihrer Antwort lag kein Zögern. Sie brachte es schlicht heraus, als hätte sie erkannt, daß es die Wahrheit war. Dann lächelte sie ihn verführerisch an. Aber ich will dich, verkündete ihr Lächeln.
    »Ihr hört Euch sehr selbstgewiß an.« Gaborn versuchte, beiläufig zu klingen. »Sind es vielleicht nur meine Kleider? Ich habe passendere mitgebracht.«
    »Ihr seid vielleicht aus dem mächtigsten Königreich in Rofehavan, aber… wie soll ich das ausdrücken? Eure Politik ist zweifelhaft.«
    Eine freundliche Art, ihn der Unmoral zu beschuldigen.
    Gaborn hatte einen solchen Vorwurf befürchtet.
    »Weil mein Vater übereifrig ist?« fragte Gaborn.
    »Einige halten ihn für übereifrig, andere für zu… habgierig.«
    Gaborn schmunzelte. »König Sylvarresta hält ihn für übereifrig… seine Tochter aber hält meinen Vater für gierig?«
    Myrrima lächelte und nickte knapp.
    »Dann wird sie mein Ansinnen also wegen meines Vaters zurückweisen.«
    »Es hieß in Heredon stets, daß Prinz Orden ›seinem Vater sehr ähnelt‹.«
    »Zu sehr vielleicht?« wollte Gaborn wissen. Ein durch Gerüchte überliefertes Zitat von Prinzessin Iome Sylvarresta?
    Es stimmte, Gaborn hatte seines Vaters Körperbau, sein Gesicht. Aber Gaborn war nicht sein Vater. Und sein Vater, glaubte Gaborn, war auch nicht so »habgierig«, wie Iome es ihm unterstellte.
    Myrrima besaß genügend Takt, zu schweigen. Sie zog ihre Hand aus seiner.
    »Sie wird mich heiraten«, widersprach Gaborn. Er war sicher, die Prinzessin gewinnen zu können.
    Myrrima zog eine Augenbraue hoch. »Wie könnt Ihr das denken? Weil es praktisch wäre, sich mit dem reichsten Königreich in Rofehavan zu verbünden?« Sie lachte melodiös, amüsiert. Unter normalen Umständen, wenn ein Bauer ihn ausgelacht hätte, hätte Gaborn eine drohende Haltung angenommen. Er ertappte sich dabei, wie er in ihr Lachen einstimmte.
    Myrrima ließ ein bezauberndes Lächeln aufblitzen.
    »Vielleicht werdet Ihr, mein Lord, wenn Ihr Heredon verlaßt, nicht mit leeren Händen gehen.«
    Eine letzte Aufforderung: Prinzessin Iome Sylvarresta wird Euch nicht nehmen, aber ich.
    »Es wäre töricht, die Hatz aufzugeben, bevor die Jagd begonnen hat, meint Ihr nicht?« fragte Gaborn. »Im Haus des Verstehens, im Saal des Herzens, sagte Lehrmeister Ibirmarle immer: ›Narren bestimmen sich durch das, was sie sind. Weise Männer durch das, was sie sein werden‹.«
    Myrrima hielt dagegen: »Dann, fürchte ich, mein übereifriger Prinz, werdet Ihr alt und einsam sterben und gefangen in der Selbsttäuschung, daß Ihr eines Tages Iome Sylvarresta heiraten werdet. Guten Tag.«
    Sie drehte sich um und wollte davon, Gaborn jedoch konnte sie noch nicht recht gehen lassen. Im Saal der Herzen hatte er gelernt, daß es manchmal das beste war, einer Eingebung zu folgen, daß ein Teil des Verstandes jener, der träumt oft zu uns spricht und uns befiehlt, auf eine Weise vorzugehen, die wir nicht begreifen. Als Gaborn ihr gesagt hatte, sie würde sich seiner Ansicht nach gut bei Hofe machen, war ihm das ernst gewesen. Er wollte sie an seinem Hof haben nicht als seine Ehefrau, nicht einmal als Mätresse. Instinktiv fühlte er hingegen, daß sie eine Verbündete war. Hatte sie ihn nicht »mein I.ord« genannt? Ebensogut hätte sie ihn mit »Euer Lordschaft« ansprechen können. Nein, auch sie spürte eine Verbindung zu ihm.
    »Wartet, meine Dame!« rief Gaborn, und abermals wandte Myrrima sich um. Sie hatte
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