Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel ist die Sonne

Dunkel ist die Sonne

Titel: Dunkel ist die Sonne
Autoren: Philip José Farmer
Vom Netzwerk:
wie die Haut eines schwer atmenden Tieres.
    Deyv stieß einen gellenden Schrei aus, halb aus Entsetzen, halb um sich selbst Mut zu machen. Er schob das Treibholz weiter ins Wasser hinein, sprang auf und spreizte die Beine. Jum war zu verschreckt, um auch nur zu winseln; er stand aufrecht und so angespannt da, daß sich ihm die Haare sträubten. Das Floß glitt zur Mitte des Flusses hin, wurde von einer Woge hochgehoben und senkte sich.
    „Halt dich fest!“ schrie Deyv. Später mußte er daran denken, daß das ein unsinniger Rat gewesen war, da der Hund keine Hände hatte. Aber er mußte einfach etwas sagen; das lag in der Natur des Menschen. Einfach etwas sagen, auch wenn es nichts bedeutete, denn solange man spricht, ist man am Leben.
    Obwohl er einen Schock abbekommen hatte, war er immerhin schlau genug, das Blasrohr aus der Hülle zu ziehen. Einen Augenblick später hatte er den Pfeil eingelegt.
    Das Flußtier pflegte kurz an die Oberfläche zu kommen, bevor es wieder tauchte, um seine Beute unter Wasser zu packen. Jedenfalls hatten ihm das die Jäger seines Stammes erzählt.
    Er nahm sich vor, mit der Waffe in die Richtung zu zielen, aus der das Tier kommen mußte. In dem Moment, in dem es die Augen über den Wasserspiegel hob, wollte er den Pfeil in das ihm zugewandte Auge jagen. Dann wäre das mächtige Geschöpf geblendet; und das Gift der schnaufenden Schlange, das am schnellsten wirkende und die größten Schmerzen verursachende Gift, das sein Stamm kannte, würde sofort ins Blut gehen und dem Tier Krämpfe und den Tod bringen.
    Nur die Große Mutter wußte, was jetzt geschehen würde. Die Erde zitterte wie eine gallertähnliche Masse. Das Wasser schwappte ihm in riesigen Wellen entgegen. Er mußte aufpassen, ob die Augen des Athaksum auftauchten, die linke Hand im Wasser halten, um das Floß in Richtung Ufer lenken zu können, während er mit den Füßen versuchte, die Blöcke vorwärtszubewegen, und in der rechten Hand hatte außerdem das Blasrohr angriffsbereit zu sein. Und das alles gleichzeitig.
    Jum bellte wie wahnsinnig, was bedeutete, daß das Wasser dieses Geräusch übertragen würde und die Ohren des hungrigen Athaksum es unweigerlich hören mußten. Mit dem Geräusch als Ziel würde das Tier auf sie zujagen, und dann würden die breiten Kiefer …
    Als Deyv schon die halbe Strecke geschafft hatte, wobei er gleichzeitig verzweifelt paddelte und nach der Stelle Ausschau zu halten versuchte, wo das Tier wahrscheinlich auftauchen würde, bäumte sich vor ihm eine Welle auf. Das Beben mußte sich in diesem Moment verstärkt haben, so daß eine solche Welle überhaupt entstehen konnte. Der Kamm, hoch wie zwei aufeinanderstehende Menschen, hing genau über ihm – diese Welle war bisher die größte – und stürzte auf den vorderen Teil der Holzblöcke. Er stieß einen Schrei aus, als er sah, wie es Jum mitriß. Dann traf ihn selbst das Wasser mit seiner ganzen Wucht, und auch er wurde vom Floß geschwemmt.
    Deyv hatte jedoch noch genug Selbstbeherrschung, um das Blasrohr hochzuhalten, während er mit den Füßen und der linken Hand ruderte. Er fühlte sich zwar benommen, aber nicht so, daß er völlig hilflos gewesen wäre. Er dachte nicht im geringsten daran, daß er ertrinken könnte. Das einzige, was ihn wirklich beschäftigte, war der Gedanke an das Flußtier.
    Als ihn die Wellen einmal herumwirbelten, obwohl er hartnäckig gegen sie ankämpfte, sah er die beiden Halbbogen auftauchen. Anders als er vermutet hatte, befanden sie sich nicht zu seiner Rechten; rasend vor Zorn erhoben sie sich genau auf der anderen Seite. Entweder hatte das Tier eine Richtung eingeschlagen, von der die Älteren behaupteten, daß es sie nie einschlug, oder die aufgewühlten Gewässer hatten es von seinem eigentlichen Weg abgebracht. Was immer auch geschehen sein mochte, jedenfalls war es jetzt da, und er wußte nicht, wie er mit den veränderten Gegebenheiten fertig werden sollte. Das Blasrohr befand sich in seiner Rechten, und das Geschöpf befand sich zu seiner Linken. Ganz gleich wie schnell er sich auch drehte: Bevor er imstande wäre, irgend etwas zu unternehmen, wäre es auch schon wieder untergetaucht. Und dann, aus der Tiefe des Elements, das sein Pfeil nicht durchdrang, würde es wieder aufsteigen und ihm seine Zähne, mit denen gewiß nicht zu spaßen war, ins Bein schlagen.
    Ein oder zwei Sekunden lang blickte Deyv in die blaßblauen Augen des Todes. Die Augen gingen langsam wieder unter. Deyv versuchte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher