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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman
Autoren: Franz Kabelka
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Kriminalbeamter hat man tagsüber nicht übermäßig viel zu lachen, da ist so ein abendlicher Kabarettbesuch ein guter Ausgleich. Außerdem schätze ich Ihren ätzenden Humor. Kommt mir vor wie eine Säure, die aus dem Zentralfriedhof ins Heurigenlokal sickert.“
    „Oho“, lacht Prader, „ein hübsches Bild! Man sieht: Was Leichen angeht, sind Sie vom Fach, Herr Inspektor!“
    „Nur Ihr letzter Auftritt in dieser Kabarettistenrateshow
Wer weiß weiter
…“ Hagen zögert.
    „Na?“, ermuntert ihn Prader.
    „Der war mir, wie soll ich sagen, gar zu schräg.“
    „Was hat Sie gestört?“
    „Ach, vergessen Sie es.“
    Aber Prader lässt nicht locker. Schließlich sei er nicht zuletzt wegen eben dieser Show hier im
Sonnblick
gelandet.
    „Also schön“, sagt Hagen. „Sie waren ja der
special guest
in der Raterunde. Ich glaube, die erste Frage lautete: Was hat es zu bedeuten, wenn in Sizilien drei verschiedenfarbige Regenschirme aufgespannt in der Erde stecken.“
    Prader nickt bestätigend.
    „Jeder der Kabarettisten hat sich bemüht, den anderen beim Blödeln zu übertreffen. Bis Sie an die Reihe kamen und die Stimmung mit einem Schlag kippte.“
    „Was genau habe ich denn gesagt?“
    „Dass Sie nichts dazu zu sagen hätten und dass Ihnen heute sicher auch sonst nichts Lustiges mehr einfallen werde, man möge Ihnen verzeihen und Sie vorzeitig entlassen. Soweit richtig?“
    „Völlig richtig.“
    „Der Moderator lachte sich halb tot und meinte, ein Prader dürfe seine Gedanken nicht dem Publikum vorenthalten. Sie haben erwidert, Ihre momentanen Gedanken würden das Format dieser Sendung sprengen, vielleicht das Format jeder Sendung. Ich muss schon sagen: All das hat für mich schwer nach einer Inszenierung gerochen.“
    „Im Gegenteil: Es war Nötigung! In einer Talkshow nichts zu sagen ist die Todsünde schlechthin. Jeden Mist kannst du von dir geben, und er wird dir mit Applaus vergoldet. Aber eine Antwort auf eine noch so idiotische Frage zu verweigern, das spielt sich nicht. Nun war mir an dem Tag wirklich nicht nach Volksbelustigung zumute. Ich habe mich ausgebrannt gefühlt und hatte es schon am Morgen bereut, die Zusage für diesen Auftritt gegeben zu haben. Bloß war ich zu feige gewesen abzusagen.“
    „Aber wer hat Sie dazu gezwungen, Ihren Selbstmord anzukündigen? Ich finde, damit haben Sie Ihren berühmten schwarzen Humor zu weit getrieben.“
    Prader ist abrupt stehengeblieben. „Jetzt werden Sie unpräzise! Ich habe nicht meinen Selbstmord angekündigt! Ich habe nur gesagt: Wenn man denn unbedingt wissen will, was mich im Augenblick beschäftigt, dann ist es die Mutter aller Fragen: Wozu lebe ich überhaupt noch? Das und nichts anderes habe ich gesagt, oder?“
    Hagen stimmt zu.
    „Und danach? Sekundenlanges Schweigen. Wobei die Sekunden lang werden können in einer Livesendung, glauben Sie mir. Bis man mich mit den Worten entließ: ‚In dem Fall müssen wir ja noch froh sein, dass sich unser heutiger Gast nicht vor laufender Kamera aus dem Leben stehlen will, sondern nur aus der Sendung.‘ Der Showmaster versuchte einfach, aus der peinlichen Situation noch eine Pointe herauszupressen. Absolut nachvollziehbar, ich in seiner Lage hätte wahrscheinlich genauso gehandelt. Aber das Publikum musste das natürlich anders sehen: als das ultimative Sich-Aufplustern zweier Gockel. Ich wünschte, es wäre so gewesen.“
    Hagen ist sich nicht sicher, ob er dem anderen das abnehmen soll: ein allseits beliebter Alleinunterhalter, der im Strahl der Scheinwerfer ernsthaft morbide Absichten äußert? Oder spielt Prader hier, fernab jeder Bühne, nur sein Theater weiter – diesmal mit ihm, dem gutgläubigen Fan? Andererseits: Konnte man nicht in der Zeitung lesen, dass die Fernsehshow vorübergehend eingestellt wurde? Das würde doch darauf hindeuten, dass den Verantwortlichen auch nicht ganz wohl war bei der Sache. Dass der Eklat tatsächlich nicht inszeniert war und der Kabarettist recht hatte mit der Vermutung, seine Ansichten könnten das Format der Sendung sprengen.
    Als hätte er Hagens Gedanken gelesen, holt Prader zu einer Erklärung aus. „Wie kann man sich als öffentlicher Mensch in den wesentlichen Dingen treu bleiben? Wie schafft man es, nicht von der eigenen Attitüde gelenkt zu werden, sich nicht selbst etwas vorzuspielen, nur weil man Theater und Kabarett zu seinem Brotberuf gemacht hat? Was immer ich auf der Bühne je an Einsichten über mein eigenes trauriges Dasein von mir gebe,
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