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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab
Autoren: Sven Koch
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Abgrund« von Mordermittler Tjark Wolf. Seit Femke beschlossen hatte, zur Kripo zu wechseln, war das Buch zu einer Art Bibel für sie geworden. Vom Coverfoto schaute Wolf mit dem kurz rasierten Bärtchen Femke wie jeden Morgen aus traurigen, harten Augen an. Er wirkte sportlich, hatte dunkle Haare, das Gesicht war markant. Ein orangeroter Aufkleber mit der Aufschrift » SPIEGEL -Bestseller« pappte auf seiner Brust.
    Sie grüßte Frida, die für die Sekretariatsarbeiten zuständig war. Frida war Mitte fünfzig und fast so groß wie breit. Sie trug ein geblümtes Kleid, hatte die rot gefärbten Haare hochgesteckt und lauschte einem Schlager von Costa Cordalis, der aus dem Kofferradio auf ihrem Tisch klang. Daneben stand ein Bilderrahmen mit einem Foto von Fridas Mann Georg. Er arbeitete auf einer Bohrinsel vor Schottland.
    »Moin«, antwortete Frida und schob Femke die Post aus dem Eingangskorb sowie die neueste Ausgabe des Wittmunder Echo herüber. Auf der Titelseite war ein Foto vom Matjesfest am Hafen vom vergangenen Wochenende. Unter dem Bericht stand, dass in einer Online Galerie noch mehr Fotos zu sehen seien. Der zweite Artikel der Titelseite befasste sich damit, dass die Bade- und Kurorte an der Küste sich auf die baldigen Sommerferien und damit auf die Hochsaison vorbereiteten. Femke faltete die Zeitung zusammen, legte die Briefe obendrauf und klemmte sich alles unter den Arm. Dann ging sie zur Wachstube, wo Torsten Nibbe gerade seinen Nachtdienst mit einem Kaffee und einem Fischbrötchen ausklingen ließ. Torsten war einer der drei weiteren Polizisten. Die der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund zugeordnete Werlesieler Station war auch für die Nachbarorte zuständig. Torsten stand auf, streckte sich und sah dadurch noch länger aus, als er ohnehin schon war. Seine Haare waren kurz geschnitten und so blond wie der Urwald auf den von der Sonne verbrannten Unterarmen. Die schmalen Wangen waren von roten Äderchen durchzogen – seine Augen wegen des nächtlichen Bereitschaftsdienstes ebenfalls.
    »Moin.« Demonstrativ gähnte er und präsentierte dabei ein Stück Lachs in seiner Zahnlücke. Femke bedeutete ihm mit einer Geste, dass er das mal wegmachen sollte.
    »Gab es etwa Besonderes?«, fragte sie und legte die Zeitung zusammen mit der Post auf den Tresen in der Wache.
    »Jo«, antwortete Torsten und pulte sich zwischen den Zähnen. »Fokko Broer hat heute früh angerufen. Den Bericht habe ich aber noch nicht schreiben lassen.«
    Schreiben lassen. Das war typisch. Torsten tat gerne so, als leite er den Laden höchstpersönlich.
    Femke musterte ihn fragend. Dann zuckte sie mit den Achseln. »Und? Kommt da noch was, oder wollte er dir nur einen schönen Dienst wünschen?«
    Torsten lutschte das Stück Fisch vom Finger und wischte die Hand an der Hose ab. »Er hat gesagt, eine hilfsbedürftige Person sei heute Nacht bei ihm gewesen.«
    »Geht es etwas genauer?«
    Torsten drehte sich träge zur Seite und griff nach einem mit Kugelschreiber ausgefüllten Vordruck. »Fokko hat gesagt, die Frau sei dem Anschein nach verletzt gewesen und habe womöglich unter dem Einfluss von Drogen gestanden. Sie habe um Hilfe gebeten – und dann sei etwas Komisches passiert: Er hat von glühenden Augen und Brüllen gefaselt sowie von etwas, das die Frau mit sich gerissen habe.«
    »Aha«, machte Femke und verzog das Gesicht.
    »Hat wohl wieder mal einen über den Durst getrunken.« Torsten grinste.
    Femke nickte langsam. Letzte Nacht hatte Seenebel geherrscht. Fokko Broers Haus lag außerhalb an der Küstenstraße. Er wohnte dort seit einigen Jahren ganz allein, nachdem er wegen dieser unseligen Sache seine Stellung an der Kinder- und Jugendmedizinischen Klink Aurich verloren hatte. Im Ort galt er als ein wenig verschroben, und er trank, wenngleich Femke ihn nicht als Alkoholiker bezeichnen würde. Vielleicht hatte sich eine Nachtschwärmerin im Nebel verirrt, war angefahren worden und hatte verletzt bei ihm um Hilfe gebeten. Sie fragte: »Ist schon jemand zu ihm rausgefahren?«
    »Nein.«
    »Meldungen über einen Unfall letzte Nacht haben wir nicht?«
    »Nein.« Torsten warf das Papier zurück auf den Tisch. »Ein Notruf über die 110 ist eingegangen.«
    Femke strich sich eine Strähne aus der Stirn, gab sich betont gefasst und faltete die Hände über der Post auf dem Tresen. »Was für ein Notruf genau, und wann ging er ein?«
    Torsten rieb sich über die Stoppelhaare im Nacken und drückte auf eine Taste am Anrufbeantworter,
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