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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab
Autoren: Sven Koch
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rufen, aber es war bereits zu spät.
    »Fred, was machst du!«, rief Ceylan gegen den Lärm an.
    Fred hielt sich mit der linken Hand am Bootsrand fest und versuchte mit der Rechten, nach dem Körper der Frau zu fassen und ihn über Wasser zu halten. Es gelang ihm mehr schlecht als recht, aber wenigstens tauchte ihr Gesicht nun nicht mehr unter.
    »Die Taschenlampen!«, rief Fred und prustete. »Gebt dem Hubschrauber Signale – ich glaube, sie lebt noch!«
    Ceylan gab Torsten ein Zeichen und deutete gen Himmel. Dann begann sie, mit der Maglite in Richtung der Positionslichter am Himmel zu leuchten, und schwenkte die Taschenlampe. Nein, dachte sie, das Schwenken würden die Piloten nur als minimale Bewegung wahrnehmen. Bei einem Blinken, einem Morsen, wäre das anders. Also drückte sie den Einschaltknopf der Lampe einige Male nacheinander. Torsten tat es ihr gleich.
    »Hat irgendwer ein Messer?«, rief Ceylan.
    »Nein«, sagte Torsten. Er klang verängstigt. »Kann man das Seil mit der Pistole durchschießen?«
    »Ich trete euch in den Hintern«, rief Fred aus dem Wasser, »wenn ihr anfangt, hier rumzuballern!«
    »Okay.« Ceylan sah, wie Fred die Hüften der Frau umfangen hielt und versuchte, sie über der Wasserkante zu halten. Lange würde er das nicht durchhalten. Die Piloten mussten doch begreifen, dass sich das GPS -Signal bewegt hatte, und wenn sie ihre Augen offen hielten … Der Hubschrauber schien zu wenden. Sein Suchscheinwerfer glitt über die Meeresoberfläche. Dann tauchten sie die Boje in weißes Licht.
    »Die haben’s kapiert!«, rief Ceylan. »Sie kommen!«
    Fred sagte etwas, aber eine Welle rollte über ihn hinweg und ließ ihn untertauchen. Als er wieder hochkam, setzte er den Satz fort, doch Ceylan konnte längst kein Wort mehr verstehen. Der Rettungshubschrauber schwebte über dem Boot und der Boje. Der Lärm war höllisch. Die Rotoren entfachten einen wahren Sturm und peitschten die See auf. Gischt sprühte Ceylan ins Gesicht.
    Im nächsten Moment sah sie, wie sich ein Retter von einer Seilwinde aus abseilte. Er trug einen Taucheranzug, eine knallrote Schwimmweste und einen Helm und glitt wie Spiderman persönlich nach unten. Ceylan zog bei all dem Getöse den Kopf ein und verfolgte, wie der SAR -Mann ins Wasser neben der Boje tauchte und die Situation mit einem Blick erfasste. Er schien mit Fred einige Worte zu wechseln. Dann zog er ein Messer hervor und schnitt die Seile durch. Der Körper der Frau sackte in sich zusammen. Fred und der Taucher konnten ihn jedoch über Wasser halten. Schließlich gelang es, der Frau eine Art Geschirr umzulegen. Wenige Sekunden später gab der Taucher ein Signal. Mit der bis auf einen roten Stofffetzen fast nackten Frau vor der Brust wurde er nach oben gezogen und verschwand im Inneren des Hubschraubers, der sich unmittelbar darauf in Bewegung setzte und schnell verschwand. Ächzend zog sich Fred an Bord. Torsten und Ceylan halfen ihm dabei. Er zitterte am ganzen Leib.
    Ceylan konnte nicht anders. Sie umarmte Fred stürmisch und sagte: »Mann, du bist ein Held!«
    Fred antwortete: »Gönnt man Helden bei euch in Persien nicht eine Nacht im Harem?«
    Ceylan lachte und boxte Fred. »Du Doofmann!«
    Er bibberte. »Fahren wir lieber an Land. Sonst könnt ihr mich gleich auch in die Klinik bringen.« Er schüttelte sich. »Haben wir etwas von Tjark gehört?«
    Ceylan schüttelte den Kopf.

87
    Tjark schoss wie ein Korken an die Oberfläche. Prustend sog er die Luft ein, hustete, als er sich verschluckte. Er paddelte mit den Armen und versuchte, sich zu orientieren. Die Nebelbank war verschwunden. In etwa zehn Metern Entfernung sah er schemenhaft die Desire, auf der er im schwachen Bordlicht Femke zu erkennen glaubte. Sie rief nach ihm. Tjark schrie ebenfalls – und schluckte wieder einen Schwall Salzwasser. Die Strömung zerrte an ihm, und schon hatte sich die Distanz zum Boot wieder vergrößert.
    Tjark begann zu schwimmen. Mit aller Kraft kraulte er gegen die Nordsee an und hielt auf das Boot zu. Und wie es schien, hielt das Boot nun auch auf ihn zu. Femke musste seine Stimme gehört und den Motor angeworfen haben. Der Lichtschein einer Lampe traf ihn ins Gesicht. Seine Arme und Beine fühlten sich an, als füllten sie sich mit Beton. Seine Lungen brannten. Nein, dachte er, gegen diese Strömung hatte er keine Chance. Er brauchte eine Pause. Er musste seine spärlichen Ressourcen schonen.
    Tjark stoppte mit den Schwimmbewegungen und versuchte, sich einigermaßen
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