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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab
Autoren: Sven Koch
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gerieten. Sie waren halb im Schlick versunken. Fred fragte Torsten: »Kann man jemanden, der möglicherweise bewusstlos ist, auf den Schultern durchs Watt tragen?«
    Torsten zuckte mit den Achseln und schien nachzudenken. »Kommt auf den Untergrund an. Ich würde eher meinen, dass man das nicht riskieren sollte. Man kann sehr schnell sehr tief einsacken.«
    »Aber ein Boot«, sagte Fred und leuchtete abwechselnd nach links und rechts, als suchte er etwas, »kann man nicht benutzen, wenn Ebbe ist. Und da jetzt Flut zu sein scheint, muss Niedrigwasser gewesen sein, als die Person ins Watt gebracht wurde.«
    »Wie gesagt, in der Nähe verläuft der Norderpriel«, antwortete Torsten. »Mit kleineren Sportbooten kann man den auch bei Niedrigwasser befahren.«
    Fred schien etwas aufgefallen sein, er ging einige Meter nach links.
    Wieder vernahm Ceylan ein Rufen aus der Ferne. Sie klemmte sich die Taschenlampe unter die Achsel, legte beide Handflächen an den Mund und formte daraus einen Trichter. »Halten Sie durch!«, rief sie so laut sie konnte.
    »Hier ist ein Strick«, hörte sie dann Freds Stimme aus dem Nichts.
    »Ein Strick?« Torsten strahlte mit der Maglite in die Richtung, aus der Freds Stimme gekommen war.
    »Ja.« Fred klang angestrengt. Ein Schaben war zu hören. »Hier ist ein kleines Motorboot!« Dann lachte er einmal kurz auf. »Kennt irgendjemand«, rief er, »irgendeine Désirée? «
    »Was?«, rief Ceylan zurück und stapfte einige Schritte in Freds Richtung. Wie konnte der Kerl jetzt Späße machen? »Was soll das jetzt mit dem blöden Namen?«
    Fred tauchte aus dem Nebel auf und wischte sich die Hände an der Jacke ab. »Das steht vorne am Bug. Désirée – sieht aus wie ein Beiboot von einem größeren Schiff.«
    Er deutete mit dem Finger nach unten. Ceylan sah den Bug eines kleinen Holzboots. Fred hatte es an Land gezogen. Es war oben blau, unten weiß – wie ein kleines griechisches Fischerboot. Aber Fred hatte Tomaten auf den Augen oder im Nebel nicht richtig gucken können, denn auf dem Boot stand nicht Désirée, da war ein Buchstabe weniger und keine Akzente, und dann sprach man das anders aus. Aber das spielte jetzt nun wahrlich keine Rolle.

81
    Die Desire tuckerte mit voller Kraft durch die Fahrrinne des Werlesieler Hafens. Vielleicht war sie auch schon weit darüber hinaus. Tjark vermochte das nicht einzuschätzen. Es war Nacht. Es herrschte Nebel. Sein ganzer Körper fühlte sich an wie ein einziger verkrampfter Muskel. Alles in ihm wollte schreien, dass er von hier fortmusste. Fort vom Meer, weit, weit fort. Aber natürlich war das unmöglich. Er musste die verfluchte Angst und die Panik unter Kontrolle bekommen und sich einzig auf das konzentrieren, worum es hier ging, und das war die Rettung von Vikki Rickmers. Also hielt er sich mit beiden Händen an seinem Handy fest und rutschte etwas näher zu Femke. Sie hockte wie eine Galionsfigur in dem Dreieck, das der Bug bildete, und leuchtete mit der Taschenlampe in das neblige Nichts. Die Gischt zischte.
    »Wie bist du auf den Bunker gekommen?«, hörte er sie fragen, ohne dass sie sich zu ihm umdrehte.
    Tjark erklärte es ihr. »Ah«, machte sie, als interessierte sie das nicht weiter, und starrte weiter nach vorne. »Ich hätte nicht geschossen«, sagte sie dann, und jetzt drehte sie sich um und sah Tjark an. Es war der Blick einer Frau, die ihren eigenen Abgründen begegnet war und den Schreck darüber noch nicht verwunden hatte.
    »Vielleicht doch.«
    Femke wandte sich wieder ab. »Ich hätte nicht geschossen. Und ich bin auch nicht verrückt. Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist.«
    Vorsichtig löste Tjark die rechte Hand von seinem Telefon und legte sie Femke auf die Schulter. Sie ließ es geschehen. Dann nahm er die Hand wieder weg und starrte auf das Display. Es zeigte grüne und graue Flächen, unterbrochen von dunklem Blau, das die Ausfahrt des Hafens darstellte. Dahinter befand sich das Wattenmeer, ebenfalls in dunklem Blau. Kurz hinter der Hafenausfahrt markierte ein gelber Punkt ihre Position. Die Akkuanzeige hatte vorhin bereits geblinkt – viel Saft war nicht mehr drauf, aber Tjark hoffte, dass es ausreichen würde.
    Tjark rutschte über den Boden, bis er bei Ruven angelangt war. Er hielt das Steuer am Heck des Bootes in der Hand und sah Tjark fragend an. Tjark hielt ihm das Telefon hin. »Der gelbe Punkt zeigt unsere Position.«
    »Okay. Um zum Priel zu gelangen, muss ich gleich Richtung Nordost steuern.«
    »Wie lange
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