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Du wirst die Schoenste sein

Du wirst die Schoenste sein

Titel: Du wirst die Schoenste sein
Autoren: Mari Posa
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mal.“
    „Ja, gut.“ Um Renés Werk nicht womöglich zu ruinieren, bewegte ich meine Lippen nur vorsichtig, trotzdem spürte ich eine Spannung im Gesicht und verkniff mir vorsichtshalber jedes weitere Wort.
    Als nächstes ging es um das passende Kostüm zu meinem Vogelkopf. Als ich aufstand, bildete ich mir ein, der Boden vor meinen Füßen drehte sich. Das letzte Glas von dem Prickelzeug, das man uns hereingebracht hatte, war wohl doch eins zuviel gewesen. Heute, mit der Weisheit mittlerweile vergangener Jahre, sage ich mir in solchen Fällen, das letzte Glas ist generell jenes, das man besser nicht getrunken hätte.
    Ich hatte mit einem plumpen Federkostüm gerechnet, aber nein, René nahm von einem der Kleiderständer ein mit graubraunen Blättern bedrucktes Kleid, die wohl Federn darstellen sollten.
    „Wie gehabt. Du weißt ja, no underwear.“ René drehte mir den Rücken zu bis ich das Kleid anhatte. Ein Wickelkleid, der seidige Stoff lag kühl auf meiner Haut. Und wer auch immer die Garderobe für die Spielfiguren auswählte, er hatte einen Blick für weibliche Konfektionsgrößen. Das Kleid passte wie maßgeschneidert. Im Spiegel sah ich, wie schmal meine Taille darin wirkte, wie hübsch der seidige Stoff sich über meinen Busen legte und ich überlegte bereits, ob ich das Kleid Ernesto eventuell abschwatzen konnte.
    Nach ein, zwei Schritten rückwärts schlug meine Euphorie jedoch um. Die Figur, die ich jetzt von Kopf bis Fuß im Spiegel sah, kam mir wie eine Missgeburt vor, wie ein Horrorwesen aus einem Sciencefiction-Film. Ein wuchtiger, missgestalteter Kopf auf einem zarten Frauenkörper.
    „Na?“ strahlte René neben mir im Spiegel, offensichtlich begeistertes Lob erwartend. Meine Antwort entging ihm mit Sicherheit, da von nebenan im sogenannten Fotostudio plötzlich dröhnend Musik herüber kam. Kein Michael Jackson, auch keine Rolling Stones, eher irgendwas Klassisches. Nur eine Schocksekunde lang, dann war Stille.
    René hakte nach. „Sag schon, wie findest du dich? Absolut dekadent, oder?“
    Ich zuckte nur mit den Schultern.
    „Also gut, vamonos“, mit genervt verdrehten Augen ging er mir voran nach nebenan.
    „Ah! Wunderbar! Lassen Sie sich anschauen, meine Kleine“, rief Ernesto mir entgegen. Piano war ein klassisches Musikstück zu hören, momentan hochdramatisches Gejammer der Geigen. Für meinen Geschmack ein wenig absonderlich für einen sogenannten Paradiesvogel.
    Außer Ernesto waren wie erwartet auch seine beiden hübschen Jungs anwesend. Mein Chauffeur, der mit dem düsteren, unfreundlichen Blick also und der freundliche, der anerkennend lächelte und einen Daumen hob.
    „Lassen Sie sich kurz erklären, worum es geht“, sagte Ernesto. „Sie sind ein reizendes Paradiesvögelchen, das aber leider böse Vogelfänger in einen Käfig gesperrt haben. Sie sind unglücklich, wollen raus in die Freiheit und rütteln an den Stäben. Aber draußen lauern Gefahren. Wilde, ausgehungerte Tiere, die Appetit haben auf ein saftiges Stück Fleisch. Hüten Sie sich vor denen. Ist soweit alles klar, Thea?“
    Ich nickte.
    „Okay, fangen wir an.“
    Aber vorher rief René mir noch zu: „Wir sehen uns später. Ach ja ...“ Er lachte. „Versau Ernesto nicht den Pool mit deinen Federn.“ Ich winkte ihm zu und folgte dann Ernesto zu der kleinen Kulisse wilder, grüner Natur und stieg in die Voliere. Mit ausdrucksloser Miene verriegelte Ernesto die Tür und prompt kam ich mir in dem engen Gefängnis wie ein Maikäfer in einer Streichholzschachtel vor und war im nächsten Moment dann auch noch so gut wie blind. Ich kniff die Augen zu im grellen Licht der Scheinwerfer, das auf mich abgefeuert wurde. Kurz überfiel mich Unsicherheit, ja sogar Angst. Was nützten mir jetzt die Posen eines Models, die ich nach meiner Vorlage, einer spanischen VOGUE nachgestellt hatte. Vor dem Spiegel über dem Waschbecken im Bad. In Ermangelung eines Wandspiegels.
    „Augen auf!“ hörte ich Ernesto rufen.
    Ich machte einen vorsichtigen Versuch und allmählich gewöhnten sich meine Augen an das gleißende Licht. Trotzdem konnte ich mehr oder weniger nur vermuten, dass Ernesto an der Kamera war und kein Profifotograf wie ich erwartet hatte. Ich vermied den Blick in Richtung Scheinwerfer.
    „Und jetzt bitte!“ Ich verlagerte mein Gewicht, drehte mich ins Profil, hob die Arme usw.
    „Gut! Toll! Weiter!“
    Ich wurde mutiger, freier, schmiegte mich an die Gitterstäbe, rüttelte daran. Das heißt, ich tat so als ob.
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