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Du wirst die Schoenste sein

Du wirst die Schoenste sein

Titel: Du wirst die Schoenste sein
Autoren: Mari Posa
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gellend, und plötzlich schossen mir Tränen in die Augen. In Erinnerung an meine eigenen Schreie neulich und weil mir bewusst war, dass es, wenn es nach Ernestos Planung gegangen wäre, meine Schreie hätten sein müssen. Mit einer Intimrasur allein hätte er sich in der fünften Spielrunde garantiert nicht zufrieden gegeben.
    Ich kam am Büffet vorbei und plötzlich stand die dicke Frau vor mir.
    „Gut gemacht, Kindchen.“ Sie grabschte sich eine Handvoll schwarzer Oliven vom Büffet und schob sie sich in den Mund. „Sollen die Mädels auch mal ihren Spaß haben ... und löhnen muss er trotzdem.“
    Die Frau war nicht nur dick, sie war auch auffallend klein. Sie musste regelrecht aufschauen zu mir. Ich sah eine Kamera in ihrer Hand.
    „Weißt du übrigens, was dir geblüht hätte heute Nacht?“
    Ich schüttelte den Kopf. Wollte es auch gar nicht wissen.
    „Und das für so ein lächerliches Nasenwasser, um das du gespielt hast ... ein Skandal! Übrigens, nicht, dass du denkst, mein Besteck sei nicht desinfiziert, von wegen, kannst du mir glauben ...“
    Ich hatte regelrecht abgeschaltet, hörte zwar die mit Schmatzen und Kauen gesprochenen Worte, weigerte mich aber, ihren Sinn irgendwie auf mich zu beziehen. Ein letzter Blick über eine traumhafte Gartenanlage, dann ging ich los. An baumhohen Büschen vorbei bis zu einer Stelle, wo der Weg in weitem Bogen erneut zum Pool führte. Mir blieb nichts weiter übrig, als unbeleuchtete Beete und Grünanlagen zu durchqueren, wobei das Übersteigen einer Agavenpflanzung wegen der nadelspitzen Blattenden problematisch war. Als ich um die Hausecke bog, sah ich in der Auffahrt drei Autos parken, die der Frauen vermutlich. Ich ging einfach weiter, die lange dunkle Auffahrt hinunter bis zum Tor, das zum Glück nicht verschlossen war. Leise zog ich es hinter mir zu und plötzlich war mir, als ob ich freier atmen konnte. Der lange, dunkle, einsame Weg hinunter bis zur Hauptstraße schreckte mich nicht.
     
    Bisher war mir nicht aufgefallen, in welcher Höhe Ernestos Haus lag, jedenfalls ging es ständig mal steiler, mal weniger steil abwärts. Mitten im unbebauten Grün im Licht eines fast perfekten Vollmondes, demselben, der mich noch nicht lange her, in romantische Stimmung versetzt hatte.
    Im Grunde hatte ich zu dem Zeitpunkt wohl noch nicht wirklich begriffen, dass ich vom Zeitpunkt unserer ersten Begegnung nichts weiter als Ernestos Marionette gewesen war. Und wie geradezu genial er an den richtigen Fäden gezogen hatte, um damit sein Spiel am Laufen zu halten.
    Sein grausames Spiel.
    Was er mit der Fotogalerie schwarz auf weiß bewies. Nach wie vor fand ich es unfassbar, dass derselbe Mann, der sich besorgt um meine Wiederherstellung gezeigt hatte, gleichzeitig für die Brutalität jener Horror-Nacht verantwortlich war.
    Nein, so ganz überblickte ich die Situation wirklich nicht. In meinem Kopf geisterte das Bild eines zweigeteilten Ernesto herum. Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Einmal das Ungeheuer, zum anderen der Mann, der mir einen wunderschönen Ausflug nach Ibiza geschenkt hatte, was ich noch heute als den Beginn meiner Überlegung sah, ob es vielleicht ernst werden könnte mit uns beiden.
    Entgegen des Verdachts meiner Mutter war Ernesto nicht der Strohhalm gewesen, an den ich mich klammerte, um über die Geschichte mit Uli hinwegzukommen. Das hätte wohl eher auf einen mich anlächelnden süßen Typ in einem Café, am Strand oder auch bei uns im Hotel zugetroffen, nur hatte ich mich niemals auf ein noch so nettes Lächeln eingelassen.
    Nein, Ernesto war keiner dieser Jungs, er war ein Mann, interessant, selbstsicher, dominant, clever, erfolgreich, wohlhabend ... gleichzeitig grausam, pervers – kurz: ein Monster.
    Und ich hatte in dieser Nacht in den Armen dieses Monsters liegen wollen. Ein erstes Schluchzen konnte ich nicht mehr unterdrücken und so ließ ich auch alle weiteren zu. Ich heulte nicht als ein Kind, das sein Bonbon nicht bekommen hat sondern wegen meiner Naivität und Gutgläubigkeit, mit der ich mir eingebildet hatte, Ernesto sähe mehr in mir als nur seine Spielfigur. Männer mit jenem Format, das ich bei ihm zu sehen geglaubt hatte, bevorzugten ihresgleichen an ihrer Seite, Frauen von Format. Karrierefrauen aus vermögenden Familien, die in der eigenen Villa saßen, Golf spielten ...
    Plötzlich in der Ferne Motorengeräusch. Rasch wurde es lauter. Ich suchte Deckung hinter einigen Mastix-Büschen und als zwei, nein drei Autos vorüber fuhren, hörte
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