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Du sollst nicht hassen

Titel: Du sollst nicht hassen
Autoren: Izzeldin Abuelaish
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Dasein; sie wünschen sich ein Dach über dem Kopf und Sicherheit für ihre Kinder. Heute sind es die Anführer der beiden Lager, die die Kämpfe der Vergangenheit fortsetzen.
    Wir sind immer in Verbindung geblieben. Ich treffe Izzeldin auf Konferenzen, und natürlich diskutieren wir über den Konflikt im Nahen Osten und die Chancen auf Versöhnung. Wir beide sind im tiefsten Innern Optimisten. Keiner von uns glaubt, dass die ideologischen Hindernisse, die uns davon abhalten, eine gemeinsame Basis für eine menschenwürdige Zukunft zu finden, unüberwindlich sind. Wenn unsere Regierungen heute den Frieden diskutieren, dann sprechen sie hauptsächlich über die geographischen Grenzen zwischen Israel und einem entstehenden palästinensischen Staat. Der Konflikt ist zu einer Auseinandersetzung über Landbesitz geworden. Und diese Auseinandersetzung kann, muss und wird eines Tages beigelegt werden. Das ist freilich leicht gesagt. Es ist nicht zu leugnen, dass es auf beiden Seiten Fanatiker gibt, die alles daransetzen, ihre jeweiligen extremen Vorstellungen voranzutreiben. Doch sie sind in der Minderheit. Unsere wahre Tragödie ist, dass fast jeder weiß, worauf es hinauslaufen wird, doch zu wenige bereit sind, dies zuzugeben und entsprechend zu handeln: auf zwei Staaten, die nebeneinander existieren, und einen Sonderstatus für Jerusalem; eine symbolische Rückkehr von einigen Tausend Flüchtlingen und eine Entschädigung, für die, die nicht zurückkehren werden. Doch der Wahnsinn geht weiter und kostet Tag für Tag Opfer auf jüdischer und arabischer Seite. Wenn man mich fragt, ob mein Optimismus sich aus Idealismus oder Realismus speist, muss ich sagen: aus beidem. Selbst als Idealist muss man realistisch bleiben. Und man muss idealistisch sein, um mit der hiesigen Realität klarzukommen. Würde man das Leben nur danach beurteilen, was gestern oder heute passiert, wäre man nicht in der Lage, den Blick zu heben und in die Zukunft zu schauen.
    Izzeldin ist realistisch. Er weiß, dass wir in keinem Rosengarten leben. Aber er glaubt fest daran, dass die Medizin das Trennende zwischen unseren Völkern überbrücken kann. Medizin und Wissenschaft kennen keine Grenzen, auch keine Staatsgrenzen, das sollen sie auch nicht. Wenn ich an einer speziellen Sache forsche, lese ich Publikationen, die sich auf Untersuchungsergebnisse aus der ganzen Welt beziehen – aus Japan, Syrien, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Alles was zählt, ist die Qualität des Artikels, nicht die Herkunft der Autoren. Auf internationalen Kongressen treffen wir Kollegen aus der ganzen Welt, manchmal aus Ländern, die weder zu uns noch untereinander diplomatische Beziehungen haben. Wenn ich auf solchen Veranstaltungen spreche, verlassen die Araber nicht den Raum, so wie das bei den Vereinten Nationen schon mal der Fall ist. Wenn ich mich mit einem Kollegen aus einem Land unterhalte, das keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhält, sprechen wir auf beruflicher Ebene miteinander – und können später beim Kaffee ohne Weiteres auch privat werden. Wenn man einander kennt, wird es möglich, unterschiedliche Standpunkte zu akzeptieren.
    Izzeldin besuchte uns, wenige Wochen bevor die israelischen Streitkräfte mit dem Bombenangriff auf Gaza begannen, und später, als die Granaten niedergingen, telefonierten wir miteinander. Ich fragte ihn, wie er den Alltag unter dem Bombardement bewältigte, ein Leben unter permanenter Ausgangssperre und mit Kindern im Haus. Er sagte: »Wie jeder andere auch; wir schlafen alle in einem Raum. Ein Teil der Kinder schläft an der einen Wand, die anderen an einer anderen; so erwischt es bei einem Treffer nicht alle auf einmal.« Am 16. Januar 2009 lagen drei seiner Töchter an der falschen Wand. Wer hätte es ihm nach solch einer Tragödie verübeln können, wenn ihn Rachegefühle und Verachtung überwältigt hätten?
    Eine kleine Gruppe einflussreicher Israelis forderte eine offizielle Untersuchung des Angriffs auf Izzeldins Haus, der Verteidigungsminister reagierte darauf zögerlich und ausweichend. Doch eine wachsende Zahl von Stimmen, zu denen auch israelische Parlamentsangehörige zählen, stellt diese Forderung heute mit größerer Dringlichkeit. Wenn eine offizielle Untersuchung zu dem Schluss kommt, dass, so wie es aussieht, ein großer Fehler begangen wurde, sollte die Armee das offen und ehrlich zugeben, die Verantwortung übernehmen und sich entschuldigen.
    Izzeldins außergewöhnliche Energie
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