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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Autoren: Deborah Tannen
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primäres Mittel der Statusbegründung und die Entgegennahme von Befehlen ein Merkmal von niedrigem Status. Obwohl jeder Mensch sowohl das Bedürfnis nach Intimität als auch nach Unabhängigkeit hat, sind Frauen eher auf Ersteres und Männer eher auf Letzteres fixiert. Es ist, als ob ihr Herzblut in verschiedene Richtungen fließen würde.
    Durch diese Unterschiede nehmen Männer und Frauen dieselbe Situation unter Umständen ganz anders wahr, wie das Beispiel eines Ehepaares zeigt, das ich Linda und Josh nennen will. Als ein alter Highschool-Kumpel von Josh ihn bei der Arbeit anrief und ihm mitteilte, dass er im nächsten Monat geschäftlich in der Stadt zu tun habe, lud Josh ihn fürs Wochenende zu sich ein. Abends informierte er Linda, dass sie einen Gast haben würden und dass er am ersten Abend mit seinem Kumpel losziehen würde, um mal wieder ordentlich einen auszuquatschen wie in alten Zeiten. Linda war verärgert. Sie würde die Woche über auf einer Geschäftsreise sein, und der Freitagabend, an dem Josh mit seinem Busenfreund losziehen wollte, wäre ihr erster Abend zu Hause. Aber am meisten ärgerte sie sich darüber, dass Josh diese Pläne ganz allein gemacht und sie einfach vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, statt die Einladung vorher mit ihr abzustimmen.
    Linda würde nie Pläne für ein Wochenende oder einen Abend machen, ohne das vorher mit Josh zu besprechen. Sie kann nicht verstehen, warum er ihr nicht dieselbe Höflichkeit und Rücksichtnahme entgegenbringt. Doch auf ihre Proteste entgegnete Josh: »Ich kann nicht zu meinem Freund sagen: ›Ich muss erst meine Frau um Erlaubnis bitten!‹«
    Für Josh ist die Abstimmung mit seiner Frau gleichbedeutend mit der Bitte um Erlaubnis, und das würde für ihn heißen, dass er nicht unabhängig ist, nicht die Freiheit hat, selbstständig zu handeln. Er würde sich wie ein Kind oder ein Untergebener vorkommen. Für Linda hat es nichts mit Erlauben oder Verbieten zu tun, wenn sie sich mit ihrem Ehemann abstimmt. Sie setzt voraus, dass Partner ihre Pläne besprechen, weil ihre Leben miteinander verknüpft sind, sodass die Handlungen des einen Konsequenzen für den anderen haben. Linda macht es nicht nur nichts aus, jemandem zu sagen: »Ich muss das erst mit Josh besprechen«  – es ist im Gegenteil etwas, was sie gern tut. Es gibt ihr ein gutes Gefühl, wissen und zeigen zu können, dass sie eine Beziehung hat, dass ihr Leben mit dem eines anderen verbunden ist.
    Linda und Josh störten sich an diesem scheinbar banalen Zwischenfall, weil sie beide sich in etwas verletzt fühlten, was ihnen besonders wichtig war. Linda war gekränkt, weil sie das Gefühl hatte, dass es in ihrer Beziehung an Nähe fehlte: Sein Freund war ihm wichtiger als sie. Und er war gekränkt, weil er den Eindruck hatte, dass sie ihn kontrollieren und seine Freiheit beschneiden wollte.
    Zwischen Louise und Howie, einem anderen Paar, gibt es einen ähnlichen Streit über Geld. Louise würde niemals etwas kaufen, das mehr als hundert Dollar kostet, ohne das zunächst mit Howie zu besprechen, aber wenn er etwas haben will und denkt, dass sie es sich leisten können, marschiert er einfach los und kauft es, wie zum Beispiel eine Tischsäge oder einen neuen Motorrasenmäher. Louise ärgert sich nicht über die Sachen, die Howie kauft, sondern darüber, dass er sich benimmt, als ob sie gar nicht vorhanden wäre.
    Viele Frauen halten es für selbstverständlich, jede Kleinigkeit mit ihrem Partner zu besprechen, während Männer es häufig ganz normal finden, Entscheidungen allein zu fällen. Hier spiegelt sich vielleicht ein genereller Unterschied, was das Verständnis von Entscheidungsprozessen angeht. Frauen erwarten, dass Entscheidungen zunächst besprochen und dann übereinstimmend beschlossen werden. Sie schätzen die Diskussion an sich als Ausdruck der Verbundenheit und Kommunikation. Aber viele Männer fühlen sich unterdrückt und eingeengt, wenn sie langwierige Debatten über etwas führen sollen, was sie als unwesentlich erachten, und immer erst besprechen müssen, was sie vorhaben. Wenn Frauen versuchen, ein lockeres Gespräch einzuleiten, indem sie fragen: »Was hältst du davon?«, fühlen Männer sich häufig aufgefordert, eine Entscheidung zu treffen.
    Kommunikation ist ein dauernder Drahtseilakt, bei dem wir mit den widersprüchlichen Bedürfnissen nach Intimität und Unabhängigkeit jonglieren müssen. Um in dieser Welt zu überleben, müssen wir in Übereinstimmung mit
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