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Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)

Titel: Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
Autoren: Deborah Tannen
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sei, um eine Familie davon ernähren zu können. Er erzählte ihnen auch, dass die höher bezahlten Jobs ihnen ohne bessere Ausbildung verschlossen bleiben würden. Er riet ihnen als Freund, dass sie auf einen anderen Beruf umsatteln sollten, wenn sie mehr verdienen wollten. Die Angestellten waren dem Leiter für seine Aufrichtigkeit nicht dankbar, denn sie verstanden seine Worte nicht als Ausdruck ehrlich empfundener Anteilnahme unter Gleichgestellten. Sie hörten vielmehr die unterschwellige Drohung eines Vorgesetzten heraus: »Wenn es euch hier nicht gefällt, niemand hält euch …«

Das neue Gesicht der Ritterlichkeit
    Die Rahmenbildung ist der Schlüssel für die folgende alltägliche Szene. Ein Auto fährt langsam eine Straße hinunter, während ein anderes aus einer Parklücke herauskommt. Der Fahrer des parkenden Autos zögert, aber der Fahrer des anderen Autos hält an und signalisiert mit einem Winken, dass er dem anderen die Vorfahrt lässt. Wenn in dem parkenden Auto eine Frau sitzt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie sich lächelnd bedankt und aus der Lücke herausfährt, während der ritterliche Mann wartet. Doch sitzt ein Mann am Steuer des parkenden Autos, ist es gut möglich, dass es zu einem regen Hin- und Hergewinke kommt und er darauf besteht, selbst zu warten, auch wenn er unter anderen Umständen versuchen würde, schnell noch vor einem herankommenden Auto aus der Parklücke zu flutschen.
    Der ritterliche Mann, der einer Frau die Tür aufhält oder einer Autofahrerin die Vorfahrt lässt, verhandelt sowohl auf Status- als auch auf Bindungsebene. Der Statusunterschied wird durch eine Metamitteilung der Kontrolle impliziert: Er lässt diese Frau nicht deshalb weiterfahren, weil sie das Recht dazu hätte, sondern weil er es ihr erlaubt; sie wird also als unterlegen eingerahmt. Und wer Privilegien gewährt, kann sie auch wieder entziehen. Auf diese Dimension zielt der Protest von Frauen, die galante Gesten als »chauvinistisch« bezeichnen. Diejenigen, die solche Gesten als »höflich« würdigen, sehen nur den Bindungsaspekt: Der Mann will nett sein. Und auch der Mann, von dem diese großzügige Geste ausgeht, wird wahrscheinlich diese Dimension wahrnehmen und daher logischerweise gekränkt sein, wenn seine Freundlichkeit Proteste statt Dankbarkeit auslöst.
    Aber wenn die Vorfahrtsgewährung einfach eine nette Geste wäre, durch die man einen Vorteil erhält, warum schlagen dann so viele Männer dieses Vorrecht aus und signalisieren stattdessen dem anderen Auto oder einem Fußgänger, dass sie selbst warten wollen? Weil man seine Unabhängigkeit wahrt, wenn man einem anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt gewährt: Der Fahrer entscheidet selbst, wie er zu handeln wünscht, statt sich von jemand anderem vorschreiben zu lassen, was er zu tun hat.

Der Schutzrahmen
    Die beschützende Geste eines Mannes bestätigt die traditionelle »Aufstellung«, bei der Frauen von Männern beschützt werden. Aber die beschützende Geste einer Frau weckt Assoziationen mit einem anderen Szenario: mit Müttern, die ihre Kinder beschützen. Aus diesem Grund widerstrebt es vielen Männern, wenn Frauen sich um eine wechselseitige Beschützerhaltung bemühen – sie haben dann leicht den Eindruck, dass sie als Kinder eingerahmt werden. Viele sinnlos scheinende Streitereien zwischen Männern und Frauen lassen sich auf diese unterschwelligen Motive zurückführen.
    Das folgende Beispiel zeigt, wie eine spontane Geste zu anhaltendem Ärger führte. Sandra saß am Steuer und Maurice auf dem Beifahrersitz. Als sie plötzlich bremsen musste, tat sie, was schon ihr Vater in solchen Situationen immer gemacht hatte, wenn sie neben ihm gesessen hatte: Während sie bremste, streckte sie ihren rechten Arm schützend vor ihrem Beifahrer aus, damit er nicht nach vorn schleuderte.
    Die Geste hatte größtenteils symbolischen Wert. Sandras rechter Arm war kaum stark genug, um Maurice im Sitz zu halten. Hauptsächlich diente sie wohl dem Zweck, ihn vor der abrupten Bremsung zu warnen. Auf jeden Fall führte Sandra – wie ihr Vater – die Bewegung völlig automatisch aus und hatte dabei das Gefühl, sich kompetent und rücksichtsvoll zu verhalten. Aber Maurice war jedes Mal total wütend. Er erklärte es damit, dass es viel sicherer wäre, wenn Sandra beide Hände am Steuer ließe. Sandra wusste, dass sie die Kontrolle über das Auto nicht verlor, wenn sie einen Arm ausstreckte, und so konnten sie diese Differenz niemals
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