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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)
Autoren: Katharina Saalfrank
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nicht bereit, unseren Umgang mit den Schwächsten in der Gesellschaft grundsätzlich zu hinterfragen.
    So kritisieren, maßregeln und therapieren wir unsere Kinder, um sie für unser (Erwachsenen-)Leben und unsere Gesellschaft passend zu machen. Dass die Gründe für ihr Verhalten, wenn es unseren Vorstellungen nicht entspricht, in der von uns selbst geschaffenen Umgebung oder auch in unserem eigenen Verhalten den Kindern gegenüber liegen könnten, ziehen wir nicht in Betracht. Es ist deshalb nur scheinbar ein Fortschritt, wenn wir Verhaltensauffälligkeiten und Konzentrationsstörungen von Kindern therapieren lassen – denn wir sind es, die diese Leiden zuallererst erzeugen.
    Dass das Verhalten von Kindern pathologisiert wird, ist die extremste Ausprägung von Erziehung. Doch was ist Erziehung überhaupt, und wem dient sie wirklich?
Familie und Erziehung
    Die Familienformen und damit auch das Familienleben haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm verändert. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Partnerschaften werden heute um ihrer selbst willen und auf einer emotionalen Basis gegründet. Die Qualität der Beziehung steht im Vordergrund. Wenn diese für die Partner nicht mehr zufriedenstellend ist, gehen Beziehungen (und damit auch Familien) auseinander. Das war noch vor sechzig Jahren anders – ob auch besser, sei dahingestellt. Heutzutage finden sich zudem neue Partnerschaftsformen, Patchworkfamilien und damit ein vielfältiges Geflecht an Beziehungen und familiären Verknüpfungen. Auch haben sich die Rollen innerhalb der Partnerschaft gewandelt. Die Berufstätigkeit der Frau ist heute Normalität und oft zur Sicherung der Existenz notwendig geworden. Der Mann ist nicht mehr der Alleinverdiener. Auch die Bedeutung von Kindern für eine Partnerschaft und der Grad der Aufmerksamkeit, die man ihnen zukommen lässt, haben sich verändert.
    Von eigener Erziehungserfahrung geprägt – oft keiner guten –, sind sich Eltern heute zumeist darüber einig, dass sie es anders machen wollen, als sie es selbst erlebt haben. Die am eigenen Leib erfahrenen Kränkungen und Verletzungen wollen junge Eltern ihren Kindern unbedingt ersparen. Kinder brauchen Liebe, Verständnis und Wärme. Sie brauchen aber doch auch – so heißt es überall – klare Regeln und Grenzen. Zwischen diesen Polen schwanken die Eltern. Und je herausfordernder sich der Familienalltag gestaltet, desto verführerischer ist es, sich in kurzfristig wirksame autoritäre Methoden zu flüchten. Kinder sollen und müssen funktionieren, auch Eltern haben nur begrenzte Kräfte – und so werden im Tagesgeschäft der Erziehung gute Vorsätze schnell durch alte Gewohnheiten verdrängt.
    Dabei können wir uns heute aber nicht mehr auf Nichtwissen berufen! Denn wir wissen heute viel mehr über die kindliche Entwicklung als in früheren Zeiten. In den letzten Jahrzehnten haben Pädagogik und Psychologie zwar vermehrt mit entscheidenden Erkenntnissen aufgewartet, doch die wurden immer wieder leichtfertig vom Tisch gewischt. Nun jedoch gibt es auch objektive naturwissenschaftliche Befunde. Die Biologie und die Neurologie haben langjährige Forschungen betrieben, und die Hirnforschung kann viele bereits gewonnene Erkenntnisse aus ihrer Sicht bestätigen. So wissen wir sicher, dass vieles, was früher an Erziehung stattgefunden hat, Kindern nicht nur nicht gutgetan hat, sondern häufig sogar schädlich war.
    Wenn ich nun von einem neuen Umgang und einer veränderten Haltung Kindern gegenüber spreche, dann geht es nicht darum, festzustellen, dass die Generationen vorher alles »falsch« gemacht haben, sondern darum, mit den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sich Kinder gut entwickeln, ein ganz neues Verhältnis zu ihnen herzustellen.
    Denker wie Jean-Jacques Rousseau, der sich bereits Mitte des 18. Jahrhunderts des Themas Erziehung angenommen hat, haben unser Wissen über »Kindheit« entscheidend erweitert. Johann Heinrich Pestalozzi an der Schwelle zum 19. Jahrhundert oder Maria Montessori in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts haben wesentliche Beiträge zu einer den Kindern zugewandten Pädagogik geleistet. Inspiriert unter anderem von Sigmund Freud haben Pädagogen, Psychologen und Psychoanalytiker die Fragen nach frühkindlichen Erfahrungen, Traumata und Prägungen zu ihrem Anliegen gemacht. Alice Miller, eine Gewährsfrau auch meiner Arbeit, beschrieb eindrucksvoll die vielen Hemmnisse und Hindernisse der Erwachsenen beim Verstehen von
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