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Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)

Titel: Du bist ok, so wie du bist: Das Ende der Erziehung (German Edition)
Autoren: Katharina Saalfrank
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Kindern. Entwicklungspsychologen begreifen und beschreiben heute gut, was Kinder in welchen Stadien ihrer Entwicklung brauchen, wie ihre Bedürfnisse erkannt und beantwortet werden können. Viel angekommen in den Familien und in der allgemeinen gesellschaftlichen Diskussion darüber ist davon jedoch nicht.
    Dabei braucht es bestimmt kein Studium oder einen »Elternführerschein«, um auf die Bedürfnisse von Kindern eingehen zu können. Erforderlich wäre zunächst ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass Kinder nicht im herkömmlichen Sinne erzogen werden müssen. Dass Respekt und Gehorsam keine kindgerechten Kategorien sind. Dass Kinder stören dürfen. Genauso wie es einer gesellschaftlichen Akzeptanz bedurfte, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind oder dass die sexuelle Orientierung kein Werturteil über Menschen bedingen darf.
    Zwar haben sich gerade in den vergangenen Jahren neue Tendenzen herausgebildet, haben sich die Formen und Modelle der Erziehung immer wieder gewandelt. Letztendlich jedoch ist es immer das eine geblieben: Erziehung. Die Modelle haben sich verändert, die grundsätzliche Haltung zu Kindern nur wenig.
    Wenn wir uns auf ein neues Ziel verständigen und Kindern ein gesundes Aufwachsen ermöglichen und eine kindgerechte Entwicklung zugestehen wollen, dann, so bin ich überzeugt, müssen wir ganz neue Wege finden, um das zu gewährleisten. Ich weiß, dass eine solche Situation, ein scheinbares Vakuum, vorübergehend unsicher macht. Noch unsicherer, als wir ohnehin schon sind. Diese Situation bietet andererseits auch Chancen. Sie gibt Raum zum Nachdenken. In einer so beschleunigten Welt, in der jedermann jederzeit auf neueste Informationen zurückgreifen kann, in der jedermann jederzeit möglichst schnelle, richtige und effiziente Entscheidungen treffen soll, können und dürfen wir uns an dieser Stelle Entschleunigung erlauben.
    Ich erlebe Eltern immer wieder als sehr offen für Neues und glaube mit ihnen an die Möglichkeit einer grundlegenden Veränderung. Allerdings gibt es wenig, an dem wir uns orientieren können. Nur in einem scheinen wir uns sicher: Das Autoritäre, das uns geprägt hat, haben wir überwunden. Ob das tatsächlich so ist? Ich bin mir da nicht so sicher.
    In meiner Arbeit mit Familien begegnen mir viele verschiedene Einstellungen und Erziehungsansätze – zwei unterschiedliche möchte ich näher beschreiben. So gibt es die Eltern, die ihren Kindern (scheinbar) negative Erfahrungen ersparen wollen.

Auf dem Spielplatz ruft die Mutter sorgenvoll der zweijährigen Charlotte nach, sie solle langsam laufen, sonst falle sie noch hin. Sie folgt ihr aus Angst, sie könne abrutschen, hinunterfallen und sich wehtun, schnell zum Klettergerüst, um zu verhindern, dass sie selbstständig hinaufklettert. Charlotte macht den ersten Schritt auf die Stufe. Die eine Hand der Mutter am Bein, die andere am Rücken. Die Mutter lässt Charlotte nicht aus den Augen und aus den Händen, begleitet sie auf Schritt und Tritt.

    Eltern wie die Mutter von Charlotte haben die Vorstellung, dass Kinder keine »Fehltritte« machen, dass sie immer »glücklich« sein sollen. Sie sollen keinen Schmerz empfinden, keine Tränen weinen, sie sollen nicht unglücklich sein. So verhindern sie (in gutem Glauben) jedoch wichtige Entwicklungen bei ihren Kindern. Eltern, die sich so verhalten, nehmen den Kindern die Möglichkeit, eigene Erfahrungen mit sich selbst und der Umwelt zu machen: zu erfahren, wie man Gleichgewicht hält, wie viel Kraft es kostet, sich hochzuziehen, und auch zu erfahren, wie sich eine Beule oder ein blauer Fleck anfühlt.
    Dies alles sind grundlegende Erfahrungen im Leben. Kinder be greifen ihre Umwelt, und es ist wichtig, dass sie forschen, ausprobieren, autonom werden und ihre eigenen Erfahrungen machen dürfen. Dabei geht es nicht darum, Kinder ernsthaften Gefahren auszusetzen oder sie sich selbst zu überlassen. Eine »Überbehütung« – ihnen gar keinen Raum zu geben, sie aus Furcht vor Schmerz oder Verletzung vor allem »Unglück« bewahren und ihnen jede Hürde aus dem Weg räumen zu wollen – ist aber genauso problematisch und hemmt die Entwicklung von Kindern.
    Schmerz, Verletzung, Ärger und Krisen, das alles ist negativ belegt – es gehört jedoch genauso zum Leben wie Glück und Freude. Das eine kann man nur wahrnehmen, wenn das andere auch vorhanden ist. Kinder kommen mit vielen Potenzialen und Kompetenzen, talentiert, offen und klug auf die Welt – ihnen fehlt es
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