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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie
Autoren: Tommy Engel
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richtigen Kanten zu tun. Wenn du hart aufkamst, sahen deine Hände hinterher wie Reibekuchen aus. Schließlich spielten wir früher ausschließlich auf Aschenplätzen. Wo die Haut aufplatzte, setzte sich dieser mal feine, mal grobkörnige Dreck in die Wunde. Am schlimmsten war das im Winter. Ich weiß gar nicht, ob ich’s noch bis in die C-Jugend ausgehalten habe, aber irgendwann war mir der Fußball ohnehin egal. Denn da hatte mich schon etwas ganz anderes gepackt. Mit 12, 13 Jahren war mir klar: Ich will Musiker werden. Und sonst gar nichts.

1949 bis 1962

JETZT HAN ICH NOCH ENE KLEINE JUNG
    Die ältesten Wurzeln meiner Familie väterlicherseits liegen im thüringischen Judenbach. Noch heute leben dort im Landkreis Sonneberg eine ganze Menge Engels, mit denen ich entfernt verwandt bin. Mein ältester Sohn René hat das mal ein bisschen recherchiert, und auch meine Schwester Hanny wusste einiges darüber. Ein Bürgermeister von Sonneberg zum Beispiel hieß Engel, und der Bruder meines Opas August betrieb dort eine kleine Manufaktur für Holzspielzeug. Deren Produkte lagen dann zu Weihnachten bei uns unterm Baum.
    Ein anderer Zweig unserer Familie stammt aus der Neuwieder Gegend. Auch dort lebt noch so mancher Urururonkel von mir. Engel vor dem Berge hießen diese Ahnen wohl, aber viel mehr weiß ich darüber auch nicht. Auf unserem Wappen sieht man zwei Scheren, die männliche Linie scheint also über Generationen das Schneiderhandwerk gepflegt zu haben. Schneider war auch mein Opa August, genauso wie mein Vater. Als der seine Schere wegen des Einstiegs bei den Vier Botze beiseitelegte, war mein Opa nicht gerade begeistert. Trotzdem hat er für die Band später die Anzüge genäht. Schließlich waren »wigge Botze«, also weite Hosen, ihr Markenzeichen: »Mir sin vier kölsche Junge/In d’r janze Stadt bekannt/Mir drare wigge Botze/ Donoh sin mir benannt«, so heißt es im Gründungslied vom Anfang der 30er-Jahre.
    Als ich am 28. November 1949 zur Welt kam, wird mein Vater sich gedacht haben: »Wunderbar, jetzt han ich noch ene kleine Jung.« Immerhin war es elf Jahre her, dass die Engels zum letzten Mal Nachwuchs bekommen hatten. Meine Mutter hingegen dürfte deutlich reservierter an die Sache herangegangen sein. Kein Wunder, schließlich hatte sie damals schon neun Geburten hinter sich. In Sülz mag es noch ein paar andere Familien mit vielen Kindern gegeben haben. Aber mit unseren zehn Pänz fielen wir schon auf, keine Frage.
    Manchmal hatte ich später das Gefühl, dass es meiner Mutter Gertrud einfach zu viel war mit diesem Nachzügler. Geliebt haben sie mich beide. Aber sie war die Strengere und die, die sich mehr Sorgen machte, vor allem nachdem mein Vater uns verlassen hatte. Ich verstehe sie heute gut, denn ich war minderjährig, und ich war jede Nacht unterwegs. Welche Mutter nimmt das schon völlig gelassen hin?! Wenn ich in eine neue Band wechselte und mal wieder von irgendeinem deutlich älteren Kumpel abgeholt wurde, ließ meine Mutter sich diese Leutchen immer vorstellen. Aber ob sie denen nun vertraute oder nicht – Limits konnte sie mir ohnehin keine setzen. Einem Musiker kannst du nicht sagen: »Junge, du bist mir um zehn Uhr zu Hause!« Denn um die Zeit standen wir schließlich noch auf der Bühne.
    Nach den Gigs wartete sie auf mich. Meine Mutter machte immer erst dann die Augen zu, wenn ich spätnachts endlich nach Hause kam. Rührend war das, und zugleich ein bisschen erstaunlich. Denn von meinem Vater hatte sie es nicht anders gekannt – Musiker haben immer Nachtschicht.

AUF TOURNEE MIT ZARAH LEANDER
    Schon als kleiner Junge war mir klar, dass mein Vater anders als die Väter meiner Sülzer Freunde war. Die gingen morgens in ihrer Arbeitsmontur aus dem Haus, während mein Vater sich irgendwann nachmittags für einen Gig fertig machte. Ich habe noch immer das Bild vor Augen, wie er sich rasierte. Das Rasierwasser brannte offenbar stark, wenn er sich das in die Haut klopfte. Er jaulte dann immer ganz laut. Aber danach roch es bei uns sehr schön, das weiß ich noch.
    Mit seiner Band, den Vier Botze, ist mein Vater schon lange vor dem Krieg unterwegs gewesen. Gegründet hatten sie sich 1933, und in ihrer Glanzzeit kannte man sie weit über Kölns Grenzen hinaus. Die Botze waren eine Größe im Karneval, sie traten regelmäßig im Rundfunk auf und produzierten Schallplatten. Auf ihren manchmal wochenlangen Tourneen standen sie mit vielen Stars ihrer Zeit auf der Bühne, mit Zarah Leander,
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