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Du bes Kölle: Autobiografie

Du bes Kölle: Autobiografie

Titel: Du bes Kölle: Autobiografie
Autoren: Tommy Engel
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Lieblingsschauspielerin hatte ich in einem Historienschinken kennengelernt: Michèle Mercier spielte die Angélique in den Serienfilmen nach den gleichnamigen Romanen. Blond war die, eine unheimlich hübsche Frau. Und ihr Liebhaber, den sie nicht sehen durfte, trug eine breite Narbe im Gesicht.
    Das Rolandkino existiert schon ewig nicht mehr. Außer dem Weiß-haus hat in Köln kaum ein Veedelskino überlebt. Der Saal im Weißhaus ist bis heute mit einer richtigen Bühne ausgestattet, auf der früher einiges los war. Dort habe ich sogar mal Can gesehen, Kölns einzige weltberühmte Band.

BLENDAX-ITALIENISCH-ENGLISCH
    Wann ich selbst zum ersten Mal mit Musik in Berührung kam, ist schwer zu sagen. Bei uns wurde keine Hausmusik gemacht, jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Mein Vater spielte kein Instrument, der war ja Sänger. Davon allerdings bekamen wir zu Hause keine Kostproben, auch in der Badewanne sang er nicht. Ganz anders hingegen »Onkel Toni«, jener Nachbar, der mit seiner Frau Paula gegenüber im Parterre wohnte. Soweit ich weiß, war er als Tenor beim Kölner Opernchor beschäftigt, und er probte praktisch jeden Tag und ohne Kompromisse. »Oh Jott«, sagte mein Vater dann immer, »jetz singk dä widder sing Meet af.«
    Immerhin probten die Botze ab und zu bei uns im Wohnzimmer. Dann durfte ich zuhören. In unserem Flur stand sogar ein Klavier, das mein Vater irgendwann gekauft hatte. Darauf habe ich manchmal ein bisschen herumgeklimpert, aber dass diese Fingerübungen mich musikalisch vorangebracht haben, wage ich zu bezweifeln. Echte Choratmosphäre kam immer an Heiligabend auf, wenn meine Brüder eintrudelten. Irgendwann klingelte es, und dann standen die vier im Hausflur: Albert, Peter, August und Josef. Dort im Flur wurden dann auch die Weihnachtslieder gesungen, alle Jahre wieder. Die anderen Hausbewohner kamen von oben dazu, hatten Kerzen in der Hand und stellten sich vor die Briefkästen gegenüber unserer Haustür. Meine Brüder hatten schöne Stimmen, die konnten wirklich toll singen. Und ich – klein, wie ich war – habe mit offenem Mund zugehört, weil ich diese Momente immer so schön fand.
    Später, als mein Vater nicht mehr bei uns wohnte, waren wir dann halt allein an Weihnachten. Was willst du machen? Ich habe ihn vermisst, und am Anfang hat es auch eine kurze Funkstille zwischen uns gegeben. Aber als es dann mit der Musik für mich anfing, stand er mir längst wieder zur Seite.
    Ich habe noch heute eine kleine Sammlung alter Schellackplatten. Ein großartiges, leider ausgestorbenes Material ist das. Auch ein Grammofon besitze ich. Keine Ahnung, was das Teil heute wert ist, aber ich habe es recht billig bekommen. An der Seite befindet sich eine Kurbel für den Antrieb, und mein Exemplar ist sogar mobil, ein Koffergerät aus den 20er-Jahren. Das konnte man damals mit ins Schwimmbad nehmen und vor den Mädels mit der neuesten Musik angeben. Es gibt Tage, an denen ich den Blues habe, et ärme Dier, wie man in Köln sagt. Dann schmeiße ich den alten Kasten noch mal an, und es geht mir besser.
    Als ich klein war, stand bei uns zu Hause eine richtige, tja, heute würde man sagen: Kompaktanlage. Ein großes Möbelstück war das, mit einem Fernseher auf der rechten und dem Radio auf der linken Seite. Unser Wohnzimmer wurde wie in allen Familien damals nur an Sonntagen geheizt. Aber dort stand die Anlage. Zum Glück durfte ich sie benutzen, wann immer ich wollte. Und mir hat auch niemand den Sender vorgeschrieben, meine Eltern waren da vollkommen kulant. Bei uns wurde normalerweise der NWDR eingeschaltet, wie der Westdeutsche Rundfunk nach dem Krieg zunächst hieß. Aber was dort im Radio lief, war damals nicht sonderlich interessant für mich.
    Wenn ich allein war, habe ich Schallplatten aufgelegt. Sobald ich die Musiktruhe aufklappte, eröffnete sich ein neues Reich. Mit der Sammlung meiner Eltern war ich schon sehr früh vertraut. Schon als Drei-, Vierjähriger erkannte ich jede Scheibe an ihrem Label, ich wusste immer sofort, welcher Titel sich dahinter verbarg. Mein erster Ohrwurm wurde »Buona Sera Signorina« von Rocco Granata. Der sang auch »Marina«, das war Ende der 50er ein echter Welthit. Und ich stand in Sülz an der Musiktruhe und sang mit. Blendax-Italienisch-Englisch, versteht sich.

BOTZE, HEUTE BLAUER ANZUG!
    Wenn ich heute Vinyl hören will, stelle ich mich zu Hause an meine Musikbox. Die habe ich vor Jahrzehnten einem türkischen Imbissbesitzer abgekauft, total fettig und
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