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Dschungelkind /

Dschungelkind /

Titel: Dschungelkind /
Autoren: Sabine Kuegler
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heute dort geblieben, sie wurden ein Teil des Lebens dieses Stammes, genau wie dieser ein Teil ihres Lebens geworden ist.
     
    Die Landschaft unter uns wurde immer eintöniger, und ich begann mich schläfrig zu fühlen. Langsam wurde ich ungeduldig und fragte mich, wann wir wohl landen würden. Der Pilot hatte seinen Discman eingeschaltet und hörte Musik, Papa schnarchte hinter mir, und es kam mir vor, als stünde die Zeit still. Das andauernde Dröhnen des Propellers, das endlose Grün unter mir, der strahlende Himmel über mir – ich merkte, wie mir die Augen zufielen.
    Mit einem Mal wurde ich wieder wach. Ich spürte, wie das Flugzeug zu sinken begann. Der Pilot hörte nun keine Musik mehr und konzentrierte sich auf die Maschine. Papa regte sich hinter mir. Ich spürte deutlich, wie sich die Stimmung änderte, wie die Spannung wuchs. Aufgeregt starrte ich aus dem Fenster. Und da, endlich, sah ich den Klihi-Fluss, der sich wie ein breites Band selbstbewusst durch alte Bäume, sumpfige Erde und dichte Vegetation wand. Der Pilot drehte ab, und wir verloren jetzt deutlich an Höhe. Ich hörte Papa etwas rufen und wandte mich zu ihm um. Aufgeregt deutete er nach draußen – da sah ich alles vor mir: den kleinen Hügel, unser Haus und schließlich ganz Foida! Doch bevor ich genauer hinschauen konnte, verlor ich das Dorf wieder aus den Augen. Vor lauter Anspannung hatte ich den Atem angehalten, und einen Moment lang konnte ich weder denken noch fühlen.
    Der Pilot folgte für ein paar Minuten dem Flusslauf, dann machte er plötzlich eine scharfe Wendung und setzte zu einer Art Sturzflug an. Mit jeder Sekunde kamen die Bäume unter uns näher, wurden größer und größer … und plötzlich tauchte direkt vor uns ein schmaler Streifen Gras und Erde auf. Der Pilot steuerte auf die Landebahn zu, und bevor ich noch Atem holen konnte, wurden wir mit einem heftigen Ruck durcheinander gewirbelt, als die Räder auf dem unebenen Untergrund aufsetzten. Ich klammerte mich an der Tür neben mir fest, die Wucht der Bremsen presste uns in die Sitze, bis die Maschine schließlich zum Stillstand kam.
    Sofort rannten eine Menge Leute auf uns zu. Ich öffnete den Sicherheitsgurt, während die Propeller immer langsamer wurden. Die plötzliche Ruhe ließ mich aufblicken. Ich sah die Bäume, die am Ende der Landebahn standen, ich sah die lachenden Gesichter der Fayu vom Stamm der Tigre, ich hörte, wie die aufgeregten Stimmen der Menschen auf mich einströmten. Und dann fühlte ich die Hitze, die mich mit voller Wucht traf. Wir waren in Quisa gelandet.
    Noch bevor ich aus dem Flugzeug gestiegen war, hatten mich die wartenden Fayu in ihre Mitte genommen. Eingehend musterte ich ihre Gesichter und stellte enttäuscht fest, dass ich kein einziges wiedererkannte. Das lag wohl daran, dass ich hauptsächlich mit Fayu vom Stamm der Iyarike aufgewachsen war. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menschenmenge, die sich um Papa gebildet hatte, und merkte schon, dass etwas Unerwartetes vor sich ging. Die Fayu redeten laut und aufgeregt auf Papa ein, seine Miene verdüsterte sich.
    »Was ist denn passiert?«, fragte ich sofort.
    »Klorus Frau ist vor wenigen Tagen gestorben. Die Iyarike sind alle in Trauer«, antwortete Papa.
    Mir wurde ganz schwer ums Herz. Wie schrecklich vor allem für Tuare, Bebe und Babu-Bosa, die ihre Mutter verloren hatten. Papa riss mich aus meinen Gedanken: »Trotzdem haben einige Iyarike beschlossen, sich auf den Weg hierher zu machen, um uns zu begrüßen.«
    Das rührte mich. Ich drehte mich um und sah, wie ein paar von den Männern auf ein Zeichen hin zu dem Piloten gingen, um ihm beim Entladen der Maschine zu helfen. Auch ich schnappte mir, was ich tragen konnte, und lief den Hügel hinunter ins Dorf.
    Die Menschen beobachteten mich mit neugierigen Blicken, bis schließlich ein paar Frauen zögerlich auf mich zukamen. Ich ging zu einer kleinen Gruppe hinüber, die sich unter einem Baum versammelt hatte, und legte als Zeichen der Begrüßung meine Hände in die ihren. Sofort war all ihre Schüchternheit verflogen, und sie nahmen mich in ihre Mitte, eine jede von ihnen mit dem Wunsch, mich willkommen zu heißen. Auch wenn ich mich an die meisten von ihnen nicht erinnern konnte, so kam mir doch das eine oder andere Gesicht vertraut vor, und zumindest die Älteren von ihnen wussten, wer ich war.
    Da rief jemand meinen Namen. Ein Fayu mit Pfeil und Bogen, der offenbar gerade erst eingetroffen war, winkte mich zu sich
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