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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1
Autoren: PeP eBooks
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eines Kaleidoskops.
    Als die Sonne endgültig hinter den Bergen versinkt, erreichen wir dieses Hochplateau.
    Es wird dunkel.
    Und nun hier: diese Nacht inmitten der gezackten Felsmassive,darüber die Sterne, so flammend wie Sonnen. Riesige Sterne. Mein Gott, können denn Sterne so groß sein?
    Wie klein man sich fühlt in so einer gewaltigen Nacht – die so viel gewaltiger ist, als eine Nacht in der Stadt, in Berlin, jemals sein kann. Klein und allein. So verloren und aufgehoben zugleich.
    Ich stehe hier unter den funkelnden Sternbildern und bin froh, dass sich zunächst niemand um mich kümmert. Der Wind ist so warm wie eine streichelnde Hand und bringt tausend Gerüche aus dem Tal mit herauf. Der Chor der Grillen, die hier Zikaden heißen, schrillt. Irgendwo ruft ein Nachtvogel.
    So also kann man leben. Muss man da nicht einfach glücklich sein?
    Der Mann, der Gaston heißt und mit mir verwandt sein will (»angeheiratet verwandt!«), tritt jetzt zu mir. Er hat aus dem Kofferraum seines Wagens zwei Schaufeln herausgeholt.
    »Lass uns eine kleine Grube graben, Leonie!«, sagt er freundlich.
    Eine Grube? Wozu eine Grube? Vielleicht um einen Schatz zu heben? Ich lächle. Hier, in dieser verwirrend schönen Welt, scheint mir alles möglich.
    Also mache ich mich stumm ans Werk.
    Inzwischen ist die Frau, Isabelle, in den Kiefernhain in der Nähe gegangen, in die Dunkelheit. Man hört das Knacken von Zweigen und Brechen von Ästen.
    Der Mann weist mich unterdessen an, mit ihm gemeinsam flache Steine zu suchen, davon gibt es genug hier. Damit wird die Grube ausgelegt, die wir gegraben haben.
    Die Frau kommt zurück mit Holz und grünen Zweigen.
    Die beiden, Mann und Frau, hocken vor dem schnell verblassenden Himmel, dort wo die Sonne untergegangen ist, und entfachen in der Grube ein Feuer. Die Flammen schlagen über den Rand hinaus.
    »Was soll das werden?«
    Der Mann lächelt und in seinen dunklen Augen ist der Widerschein der Lohe. »Ein Festmahl für dich, Leonie. Zu deinen Ehren. Und für uns. Du wirst schon sehen.«
    Inzwischen stecken die beiden je einen langen grünen Ast von der Form eines Ypsilon zu beiden Seiten der Grube in den Boden, die Gabelung nach oben. Im Kofferraum des Autos befand sich auch noch eine Art kurzer Speer oder Spieß, der in diese Gabelung gelegt wird.
    Ein Festmahl?
    »Müssen wir etwas ... erjagen?«, frage ich beklommen. Mir scheint in dieser Nacht alles möglich, wie im Märchen, wie auf dem Theater.
    Der Mann, Gaston, lacht, und die Frau, Isabelle, geht im zuckenden Flammenschein wieder zum Auto; sie stolpert über keine Wurzel und tritt in keine Vertiefung, sie geht, sie schreitet, als wäre ihr hier jeder Fußbreit Boden vertraut.
    Aus dem unergründlichen Kofferraum holt sie einen großen Tontopf und entnimmt ihm, vor dem Feuer kniend, mehrere in Leinen verschnürte Pakete. Die Pakete triefen von einem Saft, in dem ihr Inhalt offenbar gebadet worden ist; rund um das Feuer breitet sich ein unglaublicher Duft aus.
    Ich schnuppere. Ich bin schließlich die Tochter eines Kochs, ich verstehe etwas von solchen würzigen Gerüchen: Thymian, Salbei, Lorbeer, Nelken, Piment. Und dann noch etwas anderes, etwas ganz Besonderes, etwas Vertrautes ...
    Diesen Geruch kenne ich ganz genau. Ich kenne ihn von zu Haus. Ein Festmahl also!
    Jetzt fühle ich mich in meinem Element. »Darf ich helfen?«
    Gemeinsam mit Isabelle wickele ich die durchtränkten Fleischstücke aus dem Leinen. Zickleinkeulen, Nieren, Leber, die zarten Enden der Rippe, Bruststücke – und jetzt eben dies Besondere, es ist ganz nah. Ja, das kenne ich von meinem Vater und von niemandem sonst. Eine ganz bestimmte Mischung: Fuego y sapor genannt. Anis, Minze, Koriander; aber in welchem Verhältnis, das weiß nur er. Ein paar Gramm mehr oder weniger in der Dosierung dieser Zutaten können alles verderben. Es muss einander die Waage halten. Das war das Geheimnis seines Erfolgs als Koch – und diese beiden können das also auch. Hier in den Pyrenäen.
    Das ist das erste Mal, dass so etwas wie ein verwunderter Glaube an unsere Verwandtschaft in mir aufkommt. –
    Sie spießen das Fleisch auf und hängen die einzelnen Teile über das Glutbett, größere Stücke in der Mitte, das Kleine und Zarte an der Seite, wo die Hitze nicht so stark ist.
    Der Mann dreht den Spieß, bestreicht das Fleisch mit Olivenöl aus einem großen Krug, den die Frau hält, als Pinsel dient ein Ginsterbüschel. Manchmal wirft sie noch ein Händchen voll Kräuter
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