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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1
Autoren: PeP eBooks
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dazu. Würziger Rauch steigt auf.
    Auch das kenne ich von zu Hause. Lavendel?
    Ja, Lavendel. Noch so eine Zutat. Niemand sonst kocht mit Lavendel in Berlin, das legt man höchstens zwischen die Bettwäsche. Nur mein Vater macht das.
    Nun hocke ich also neben dem Feuer und sehe den alten Leuten zu. Es ist dunkel, die Flammen beleuchten von unten die beiden Gesichter, schmale, langnasige Gesichter mit Augen, die im Schein der Flammen glänzen. Alte Leute? Gewiss. Aber Ahnen von mir?
    Diese Zikaden zirpen wie verrückt. Jetzt regt sich kein Lufthauch mehr. Es ist, als würde alles den Atem anhalten.
    »Leg die Tannenzweige aus, bitte. Es ist gleich so weit.« Tannenzweige?
    Isabelle deutet ins Halbdunkel. Sie hat einen ganzen Arm voll grüner Tannen- oder Fichtenäste mitgebracht.
    Ich begreife. Breite diese »Tischdecke« auf der Erde aus, setze mich wieder.
    Eine große Prise graues grobkörniges Salz jetzt. Das Feuer lodert neu auf. Dann sinkt es in sich zusammen, als der Mann den Spieß fortnimmt, die Fleischstücke abstreift und auf das Bett aus Tannenreisig gleiten lässt.
    »Darfst du bereits Wein trinken, Leonie?«, fragt Isabelle.
    Ich nicke. Selbst wenn der Vater mir nicht hin und wieder ein Glas gestattet hätte (»Zu einem guten Essen gehört ein guter Schluck!«, sagt er immer.) – ich hätte jetzt auf keinen Fall Nein gesagt.
    Da ist auf einmal ein Korb mit einer bauchigen Flasche, dazuBecher aus Zinn, die im Feuerschein matt schimmern. Der Mann schenkt ein.
    »Danke, Gaston.«
    Sie heben die Becher gegen mich.
    »Auf dein Kommen, Leonie! Darauf, dass es dich gibt und dass du heute Nacht hier bist, mit uns!«
    Der Wein ist herb und schmeckt ein bisschen so, wie die abgebrochenen Tannenzweige riechen.
    »Sicher bist du es gewohnt, in geschlossenen Räumen zu essen, nicht wahr?«, sagt Isabelle lächelnd. »Greif zu! Es ist ein ganz anderer, seltener Genuss, zu verspeisen, was im Freien bei Sternenschein zubereitet wurde.«
    Ich grabe meine Zähne in das feste und gleichzeitig schmelzend zarte Fleisch eines Rippenstücks und schließe die Augen vor Wonne. Das ist nicht von dieser Welt. Eine Offenbarung. Der Geschmack der Küche meines Vaters unter dem nächtlichen Himmel des Südens.
    »Nun?«
    »Wie zu Haus – nur noch besser«, murmele ich mit vollem Mund. »Und woher kennt ihr eigentlich diese – diese Würze? Diese besondere Mischung? Sie hat auch einen Namen. Mein Vater nennt sie...«
    »Fuego y sapor – Feuer und Duft?«, unterbricht Isabelle. Sie lacht. »Siehst du, wir kommen aus einer Familie, und nicht nur dem Namen nach!«
    (Obwohl das nicht wirklich eine Antwort ist – für mich klingt es in diesem Moment einleuchtend.)
    Wir essen, wir trinken. Der Chor der Zikaden hat ganz plötzlich aufgehört, als habe man ihnen befohlen, schlafen zu gehen. Der Nachtvogel kommt näher. Vertreiben wir ihm die Beute? Am Horizont wetterleuchtet es. Das war schon gestern Abend so, aber es kam kein Gewitter. Normal hier, hat man mir erklärt. Abendliches Feuerwerk...
    Isabelle gibt uns in Zitronenwasser getränkte Tücher, um Hände und Mund zu säubern.
    Und dann beginnt das Zaubertheater erst wirklich.
    Gaston fördert aus dem Kofferraum des Autos ein Grammofon zutage, stellt es auf, kurbelt es an, senkt den Tonarm mit der Nadel. Verneigt sich vor Isabelle.
    Sie beginnen zu tanzen. Die alten Leute tanzen! Hier, auf diesem Platz mitten im Gebirge!
    Zwei schlanke, zierliche Silhouetten, irgendwo zwischen dem verglimmenden Feuerschein der Grube und dem Licht der Sterne, drehen sich in verschlungenen Figuren miteinander.
    Alte Leute? Die sind nicht alt. Die gehören gar nicht in die Zeit. Die kommen von irgendwo anders her.
    Aus dem Trichter des Grammofons ertönen südländische Klänge, temperamentvoll, mit ständig wechselndem Tempo. Irgend etwas Spanisches vielleicht. Ein helles hölzernes Klappern – Kastag netten sicher, manchmal singt eine Frau, es klingt wild und wehmütig zugleich. Die beiden Alten drehen sich mit der Genauigkeit und Anmut von Leuten, die seit langer Zeit miteinander vertraut sind und miteinander tanzen.
    Und dann, ein zweites Stück ... Dies Lied kenne ich! Ich kenne es ganz genau! Diese merkwürdig fremdartigen Klänge, diese Schwermut – so habe ich es von meinem Vater gehört! Immer wenn ihm (in seiner Küche am Savignyplatz oder am heimischen Herd) etwas besonders gut gelungen war, dann summte er diese Melodie.
    So fremd wie keine andere Melodie, die ich kannte, und deshalb so
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