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Drei Wünsche

Drei Wünsche

Titel: Drei Wünsche
Autoren: Petra Oelker , Andrea Offermann
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ausräubern ließ.

     
    Madam war vergnügt gewesen, hatte von ihrer glücklichen Kinderzeit erzählt, eingekauft und Theda großzügig beschenkt, sie hatten gelacht und sich ein Schlückchen Zimtpunsch erlaubt.
    Und nun?
    Theda wischte energisch mit dem Ärmel über die Augen und bemühte sich um einen strengen Blick. Wenn man streng blickte und die Lippen schmal werden ließ, wurde auch die Seele kühl. Das wusste sie aus langer Erfahrung, und was auf ihre kleine Galgenfrist folgte, brauchte eine kühle Seele. Besser noch ein kaltes Herz. Es war nur klug, sich gleich darin zu üben.

      
    in ernsthafter Christenmensch musste dieser Tage beim Anblick des Doms an den zornigen Jesus denken, der die Händler aus dem Tempel vertrieb. Auch in anderen Kirchen der Stadt gab es Verkaufsstände, doch nur wenige und zuvörderst von Buchhändlern. Wer nicht allzu genau hinsah, konnte sich damit trösten, dass Bibeln, der Große und der Kleine Katechismus allerorten unters Volk gebracht werden mussten, ebenso die für das Seelenheil und die Erbauung ihrer Pfarrkinder gedruckten Predigten etlicher Pastoren. Überhaupt war die Zahl alter und neuer Werke, die sich mit der Religion in Theorie und Praxis befassten, riesengroß und genau passend zur Auslage unter Kirchendächern.
    Etwas ganz anderes geschah schon sehr lange, wohl bald zwei Jahrhunderte, in der Domkirche. Zuerst in den nicht mehr gebrauchten Kreuzgängen, dann auch in einigen Nebengebäuden, endlich in den Seitenschiffen des Doms breiteten sich Händler aus. Der absolute Höhepunkt dieses Treibens fand in den acht Tagen vor Weihnachten statt. Dann wurde das Domareal zum lärmenden Markt für allerlei Galanteriewaren, Brüsseler Spitzen oder Samtmieder, für Bijouterie und glitzernden Tand jeder Art, auch Trödelkram, Lebkuchen oder Puppen und Steckenpferdchen, Zinnsoldaten, Wachslichter oder Krippenfiguren und Scherenschnitte, Zuckerwerk, Marzipan, Kleider, Stoffe, Schuhwerk, Lederwaren – es gab Stände und Buden für alles, was sich an Schönem und Delikatem verkaufen, was sich insbesondere zum Christfest verschenken ließ. In keiner der anderen Kirchen wäre das möglich gewesen, aber der Dom war anders und letztlich ein Fremdling.
    Schon seit mehr als 900 Jahren kein Bischofssitz mehr und im Lauf der Jahrhunderte Eigentum verschiedener auswärtiger Herrscher, war die Domkirche nun ein Menschenleben lang hannöversche Enklave im Herzen der Hansestadt. Es gab nur noch einen Pastor, wöchentlich wurden karge zwei Gottesdienste gefeiert, den allergrößten Teil des Jahres blieb die fünfschiffige Hallenkirche leer.
    Für den Weihnachtsmarkt wurde sie erst nach dem Mittagsläuten für das Publikum geöffnet. Den Händlern war es recht, so blieb der Vormittag, neue Ware heranzuschaffen, zu schauen, was die Konkurrenz bot und zu welchen Preisen, um zu plaudern und Neuigkeiten auszutauschen. Wie jeder Markt und jede Messe bot auch dieser gute Gelegenheit, sich für den eigenen Nachwuchs unter anderen heiratsfähigen Söhnen oder Töchtern umzusehen, zu beobachten, wer kräftig anzufassen verstand oder geschickt zu handeln, wer welchen Charakter zeigte. Ganze acht Tage konnte sich niemand um einer guten Partie willen verstellen.
    Davon war Anton Schaffer fest überzeugt. Es würde ihm schrecklich schwerfallen, seine Tochter ziehen zu lassen, sie war sein einziges Kind, führte seinen Haushalt fast so gut wie einst ihre Mutter, schleppte jede Kiste, schlug, wenn es nottat, in Keller und Schuppen Ratten tot, verstand sich auf das Kochen dicker Suppen und köstlicher Braten. Auch die Versorgung des Maultiers ging ihr leicht von der Hand, obwohl das nicht zu ihren Aufgaben gehörte. Mit dem Stricken haperte es ein wenig, auch mit der Sparsamkeit – das würde schon noch werden.
    Elsi war nun siebzehn Jahre alt, bildhübsch (es gab Idioten, die das übersahen) und verdammt keck, neuerdings war etwas in ihrem Blick, das ihn beunruhigte. Etwas, an das er sich aus seinen jungen Jahren gut erinnerte. Da hatte er Mädchen mit solchen Augen gekannt, keine von denen war in einem guten Hafen gelandet. Er sollte sich wohl beeilen, bevor Elsi Dummheiten machte und nicht mehr als braves Weib an den besten Mann zu bringen war.
    «Du träumst, Vater. Dazu ist jetzt keine Zeit. Steh nicht im Weg rum, sondern fass mit an.» Mit energischem Ruck schob seine Tochter eine kleine Kommode gegen seinen ausladenden Bauch und sah ihn auffordernd an, in ihrer rechten Wange erschien ein
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