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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach
Autoren: Bastienne Voss
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vielfach nicht für ernst genommen. Immer wurde mir entg e gengehalten, daß kein Deutscher daran de n ke, wieder in einen solchen Krieg zu ziehen, wie er nun glücklicherweise schon jahrelang zu Ende sei. Doch ich ließ nicht locker. Ich habe im ersten Weltkrieg zu viel gehungert und gelitten, um ihn vergessen zu kö n nen. Vor einem zweiten Weltkrieg hatte ich eine unnennbare Angst.
    Daß Großvaters Schwester, die Kirchenmaus Helene, nichts mit Politik anfangen konnte, leuchtet ein. Um so e r staunlicher ist es, daß sie trotzdem fest zu Bruder Gustav hielt. Auch, als er 1937 wegen illegaler Arbeit für die Kommunist i sche Partei für drei Jahre ins Zuchthaus kam.
    Meine Eltern haben mich in Hameln besucht, auch meine Schwester. Immer wieder haben Eltern und Schwestern mir Trost und Mut zugesprochen und mir g e sagt, daß sie zu mir halten. Ich sei kein Verbrecher und habe nichts Böses getan, wenn ich auch im Zuch t haus säße ...
    Schon 1932 hatte ich einige Male Bekanntschaft mit der politischen Polizei g e macht. Aber unentwegt versah ich weiterhin meine Pflicht. Mit wieviel Menschen hatte ich gesprochen ? In wieviel Ve r sammlungen vorwiegend in den Dörfern ? Aber Schulfreunde hatten mir zuversichtlich ve r sichert, daß Hitler gar nicht zur Macht kommen würde. Und wenn, in wen i gen Tagen sei alles vorbei...
    So waren die Verhältnisse meiner Erinnerung nach, als der Teppichbeißer mit Hindenburgs und der Hochfinanz Hilfe die Macht in Deutschland an sich reißen konnte. Viele waren gegen ihn. Doch die Mehrzahl verhielt sich passiv und wollte abwarten. Hitler war ja das kleinere Übel. Die Kommunisten waren als die große Gefahr ve r leumdet ...
    Abends trafen wir vier uns wie verabredet und beschlossen, die Parteiarbeit weiter fortzuführen. Wir gelobten uns, vor keiner Gefahr zurückzuschrecken und unser Leben ei n zusetzen. Wir waren fest davon überzeugt, daß wohl eine schwere Zeit vor uns liegen würde. Aber am Ende könne nur der Sieg sein. Auch wenn wir ihn nicht e r leben würden.
    Nach den drei Jahren Zuchthaus in Hameln wurde Großvater über das Pol i zeigefängnis Hannover, wo er ein weiteres halbes Jahr verbrachte, nach Sac h senhausen überführt.
    Im April 1940 wurde ich nach Berlin an den Alex gebracht. In e i nem der großen Säle im Keller lag ich zwei Tage und zwei Nächte. Dann ging es los nach Sachse n hausen.
     
    NIMM MIT DEINEN BEIDEN
    HÄNDEN
    SAND AUS MÄRK I SCHER HEIDE
    DRÜCKE IHN ZUSA M MEN
    UND ES TROPFT
    BLUT
     
    So beginnen die Aufzeichnungen aus dem KZ. Nicht nur meine Ba l lett-Mutter, auch ich hatte Angst vor dem, was jetzt kommen würde, und goß mir einen zwe i ten Schnaps ein.
    Nun standen wir als Zugang am Tor in Sachsenhausen ... Mit Häftlingskleidung versehen, mußten wir dann im Lau f schritt zum Zugangsblock. Ich kam nach Block 65, der letzte Block am Weg zur Gärtnerei und der Schwe i nemästerei. Die Mästerei hatte die SS zu versorgen.
    Um das Leben zu retten, mußte man schweigen. Um noch zu erleben, daß der Nazismus überwunden wird, mußte man sich in sich selbst zurückziehen. Aufbegehren? Zurüc k schlagen? Darauf wartete die Bestie. Es hätte den sofortigen Tod bedeutet...
    Ich bekam einen Arbeitsplatz in der Halle, um Schrauben und Werkzeug zu so r tieren ... Wenige Schritte vor mir taumelte ein Gefangener ... abgemagert zum Skelett. Die Kopfhaut blu t unterlaufen. Aufgeplatzte Schlagstellen im Gesicht. Ich hatte den Eindruck, daß ihn der Ze b ra- Anzug, wie unsere Kleidung der Längsstreifen wegen genannt wurde, zusammenhielt. Die Hosenbeine zu kurz, und aus den Ä r meln ragten die dürren Arme hervor. In den weit aufgeriss e nen Augen hockte die Erkenntnis des nahen Todes ... Hinter dem Rücken des Taumelnden ertönt die Stimme des Vo r arbeiters: »Da, nimm det Ding weg!« »Det Ding« ist eine Welle für eine der zu montierenden Maschinen. Ich schätzte ihr Gewicht auf zehn Zentner. Der geschundene Körper des Gefangenen beugte sich herab. Zitternde Hände fassten zu. Dann richtete er sich kraftlos wieder auf. Um ein i ge Zentimeter hob er die mageren Hände und zeigte wie ungewollt die Handflächen, verschmutzt, blutve r krustet. Was seinem Mund nicht verständlich im Gurgelton entquoll, sagte die ga n ze Gestalt:
    »Das kann ich nicht.« »Du dreckige faule Sau verweigerst die Arbeit?« Ein ku r zer Schlag mit einem kurzen Knüppel quer über die Augen, und der Gefangene brach lautlos zusammen. Mit zitternden Händen sortierte ich in
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