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Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Titel: Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
Autoren: Delia Ephron
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aufgetaucht wären, hätte ich es ohnehin behalten, bis die Polizei entschieden hat, was damit passieren soll. Und das kann eine Ewigkeit dauern.«
    Der langsam dahinrollende Abschleppwagen fährt an einem großen, weißen Schild vorbei, auf dem in goldenen Buchstaben FAIRVILLE steht.

9
    Fairville ist makellos, ein wahres Juwel von einem Ort. Die Straßen sind gesäumt von zwei- und dreistöckigen historischen Gebäuden aus weißen Schindeln oder rotem Ziegelstein, jedes von ihnen hübsch genug für eine Postkarte. Doch ein genauerer Blick enthüllt Risse unter der Oberfläche, Läden, die trotz ihrer wohlausgestatteten Schaufenster geschlossen sind. Beim Geschirrgeschäft »Dishes & Stuff« steht noch ein Teeservice im Fenster. Als »Petes Gartenbedarf« eines Montags für immer seine Pforten schloss, machte sich Pete nicht die Mühe, die Gartenschlauchrollen und die zu Pyramiden gestapelten Insektenspraydosen wegzuräumen. Auf diese Weise haben eine Reihe von Läden Pleite gemacht – als hätte jemand mit einer guten Geschäftsidee den Laden für eine Woche geöffnet und wäre in der Woche darauf verschwunden. Die Gebäude verfallen noch nicht – keine abblätternde Farbe, keine verzogenen Holzteile –, sie stehen nur leer. Es passiert hier oft, dass man ein Geschäft betritt und dann merkt, dass es längst aufgegeben wurde.
    Alle paar Meter steht auf dem Bürgersteig eine schmiedeeiserne Bank für alle, die ihren Füßen eine Pause gönnen wollen. Die meisten Läden und öffentlichen Einrichtungen befinden sich an einem zentralen Platz.
    Cynthia aus dem Café schickt Lana zu »Star Nails«. Das Nagelstudio liegt an der nächsten Querstraße und ist ebenfalls bankrottgegangen. Nun werden die Räumlichkeiten von den Anonymen Alkoholikern und anderen lokalen Organisationen wie der American Legion genutzt. Als Lana vorsichtig die Eingangstür aufschiebt und eine leise Glocke ertönt (ein Überbleibsel aus dem Salon), hat das Meeting bereits angefangen.
    »Willkommen«, sagt der Gruppensprecher, ein Mann mit Baseballkappe, der ein gestärktes weißes Kurzarmhemd und karierte kurze Hosen trägt.
    »Hi«, sagt Lana verlegen. Sie sieht vermutlich aus, als hätte sie sich seit gestern nicht umgezogen, was ja stimmt. Jeder hier ist sauber und ordentlich gekleidet, sogar der einzige unangepasste Typ, ein junger Mann ganz in Schwarz und mit mehreren Piercings in Nase und Lippen.
    Außerdem trägt sie löchrige Jeans. Zerrissene Kleidung bedeutet etwas, denkt sie, sie wirkt negativ, verräterisch, aber vielleicht liegt sie da auch falsch. Dennoch steigert das ihre Verlegenheit.
    »Warum setzt du dich nicht?«
    Lana zögert. Etwa zwanzig Leute haben sich auf hässliche alte Sofas verteilt. Sie will allein sitzen und wählt ein riesiges beigefarbenes Möbel mit dunkelbraunen Streifen und Flecken, die nach Kaffee aussehen. Der Reißverschluss des unteren Sitzkissens ist nach vorne gedreht, und als sie trotz ihres geringen Körpergewichts bis auf die Federn ein sackt, sticht ihr der Geruch von uraltem Nikotin in die Nase.
    »Möchtest du Kaffee?« Der Gruppensprecher deutet mit einer Fliegenklatsche auf ein Manikürtischchen, wo eine Kaffeemaschine mit einigen Styroporbechern steht.
    »Nein, danke«, sagt Lana. Nun fällt ihr auf, dass mehrere Leute hier Fliegenklatschen in der Hand haben, pinkfarbene aus Plastik. »Seid ihr schon mit dem Teil fertig, wo gefragt wird, wie lange man nichts getrunken hat?«
    »Ja, aber sag es ruhig.«
    »Ich bin Lana, und ich bin Alkoholikerin. Ich bin seit fünf Monaten und drei Tagen trocken.«
    Alle klatschen.
    »Ach, und außerdem …« Lana hebt die Hand.
    »Ja«, sagt der Gruppensprecher.
    »Es ist komisch, aber ich wüsste gern … Ich weiß, solche Fragen stellen wir normalerweise nicht – ich meine, ich weiß, dass AA so nicht arbeitet, aber ich habe mit dem Trockensein keine große Erfahrung. Darf ich etwas fragen?« Alle warten gespannt. Lana nimmt das als Erlaubnis und gesteht: »Ich fühle mich seltsam … wie besoffen. Nicht richtig besoffen, aber so … high. Wie auf einer Sauftour. Ich bin trocken, aber … wie kann das sein?«
    »Auf dem Stepper fühle ich mich manchmal so«, sagt eine Frau.
    Lana schüttelt den Kopf.
    »Vielleicht bist du bi«, sagt der Mann mit den Piercings.
    »Bi?«
    »Bipolare Störung. Manisch-depressiv.«
    »Hast du stimmungsverändernde Substanzen genommen?«, will der Gruppensprecher wissen.
    »Eigentlich nicht. Wenn man Zucker nicht rechnet. Wir waren
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