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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition)
Autoren: Helmut Vorndran
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daran, dass er Deutscher war. In den USA , wo er die Kohle gemacht hatte, dachte keiner seiner Partner auch nur eine Sekunde darüber nach, ob es gerecht war, so viel Geld zu besitzen, geschweige denn darüber, wie es verdient worden war. Skrupel war im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein Fremdwort, das niemand kennen wollte. Mit Skrupeln konnte man bei Arbeitgebern wie Silverman Sachs keinen Blumentopf gewinnen. Er selbst hatte nicht gerade selten gebuckelt, geschuftet, getäuscht und betrogen. Er hatte Existenzen geschaffen und mindestens genauso viele vernichtet, Milliarden verzockt und doppelt so viele verdient, und er hatte Banken ausgelöscht und ganze Staaten bis an den Rand des Ruins getrieben.
    Er war verdammt gut, weil er die besten Lehrmeister gehabt hatte und eine schnelle Auffassungsgabe besaß. Er hatte sich reingekniet, bis er die an der Spitze irgendwie beseitigt hatte und jetzt selbst oben saß. Ganz klar: Da, wo Josef Simon weilte, war vorn. Das Schönste daran war jedoch der Umstand, dies alles im Hintergrund, im Verborgenen tun zu können. Er arbeitete nicht gern in der Öffentlichkeit, eher schon in Hinterzimmern, führte dort vertrauliche Gespräche – oder ließ ganz einfach die geballte Macht von Silverman Sachs über seine Widersacher hereinbrechen. Eine einzige Kontobewegung, ein kleiner Anruf, manchmal genügte sogar nur eine kurze SMS , und er bekam, was er wollte. Er war nie im Fernsehen zu sehen, nicht auf Titelblättern, und im Internet würde man nur einen knappen Wikipedia-Eintrag zu ihm finden. Josef Simon war das Paradebeispiel einer grauen Eminenz.
    Aber jetzt hatte er sich entschlossen, in seine alte Heimat zurückzukehren und mit früheren Weggefährten zusammen eine neue Karriere zu starten, etwas anderes zu wagen. Es war an der Zeit, die alten Pfade zu verlassen und sich wieder Ziele zu setzen. Politik. Von nun an würde er im Licht der Öffentlichkeit stehen und damit klarkommen müssen. Und diese Hochzeit würde das Fundament sein, auf dem das Bild fußte, das seine konservativen Wähler von ihm haben würden.
    Aber irgendetwas stimmte heute nicht. Sein Instinkt für gefährliche Situationen hatte ihn noch nie im Stich gelassen, und dieser Instinkt meldete sich nun lauthals zu Wort. Er versuchte sich einzureden, alles wäre nur Einbildung, der Aufregung geschuldet, aber es half nichts. Er hatte den ganzen Tag über so oft über die Schultern geschaut wie niemals zuvor in seinem Leben.
    Susanne war so aufgeregt, dass sie ihn anstrahlte, ohne etwas von seinem Gemütszustand zu bemerken. Die standesamtliche Trauung in seiner Heimatstadt Scheßlitz hatte im kleinen Kreis stattgefunden, draußen vor dem Rathaus herrschte nun allerdings ein ziemlicher Auflauf. Als er mit Susanne aus der Tür hinaustrat, war allseitiges Applaudieren zu hören, und jede Menge Reis wurde in ihre Richtung geworfen. Doch er hatte nur Augen für Verdächtiges, für Dinge, die ihm eine Handhabe für sein Unbehagen liefern konnten. Aber alles, was er sah, waren fröhliche Menschen, die das Brautpaar mit der distinguierten Begeisterung, die unter Bankern üblich war, nun im Konvoi bis nach Staffelstein und hinauf zur Adelgundiskapelle begleiten würden. Sein Argwohn wurde fürs Erste von seiner Ehefrau vertrieben, die ihn an seinem Arm in Richtung des geschmückten offenen Cabrio zerrte, das bereits auf das glückliche Paar wartete.
    Eheschließungen waren immer schon eine eher knifflige Sache gewesen. Vor allem, wenn man einer Tiergattung angehörte, bei der einem als werdender Mutter nicht gerade selten die Ehemänner flöten gingen. Und hatte man dann doch einmal die Küken aus den Eiern gebrütet, so schlug das Schicksal immer wieder in brutaler Regelmäßigkeit erbarmungslos zu, und die Brut ereilte das Schicksal aller benachteiligten Mitglieder der Nahrungskette.
    Ein Flussregenpfeiffer weiblichen Geschlechts hatte sich aufgrund der eben beschriebenen Schwierigkeiten eine neue Vorgehensweise überlegt. Nachdem ihr in den vergangenen Jahren ihr Brutgeschäft durch verschiedene unglückliche Umstände, vor allem aber durch missgünstige Zeitgenossen zerstört worden war, hatte sie entgegen ihrem Naturell dieses Jahr beschlossen, nicht mehr irgendeine Kiesbank an einem Fluss zur Nestbaustätte zu erwählen, nein, wenn ihre Umwelt dies nicht akzeptierte, dann wollte sie sich eben gemäß der darwinschen Überlebensstrategie selbst evolutionieren und die freien Flächen und Bäche verlassen. Wenn
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