Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Draussen

Draussen

Titel: Draussen
Autoren: Lachmann
Vom Netzwerk:
gleichmäßig und schwankten dabei auf ihren Stangen leicht hin und her. Süß.
    Ich erwischte mich dabei, dass ich mit dem Schlüssel in der Hand vor dem Käfig stehengeblieben war. Licht schien nur durch die offenstehende Tür zum Hausflur.
    Ich schloss sie und machte die Lampe an. Hängte meine Jacke in den Schrank und deckte den Vogelkäfig mit einem Tuch ab. Ich beneidete die beiden Männchen – komplizierte Angelegenheiten wie Partnersuche würden ihnen zeitlebens erspart bleiben.

    Dieses Treffen eben war so was von unnötig gewesen. Was für ein Idiot! Na ja, wenigstens war ich satt. Das war aber auch das einzig Positive an diesem Abend.
    Ich hatte ihn schon von weitem gesehen. Wie er dastand, wirkte er fehl am Platz – ein bisschen wie eine Statue, die vom Laster eines Landschaftsgärtners gefallen war. Aber das hier war die Schanze und nicht Versailles.
    Er war groß und schlank, mit breiten Schultern, die klassische V-Form, die mich – wahrscheinlich war das von der Natur so programmiert – zum Schmelzen brachte. Dazu hatte er schwarzes, lockiges Haar und Augen, die so viel Wärme ausstrahlten, dass er damit aus fünfzig Metern Entfernung eine Tiefkühlpizza hätte auftauen können. Viel zu schön für mich. So einer wollte mindestens die jüngere Schwester von Angelina Jolie und nicht die ältere von Daniel Küblböck. Obwohl ich mir sicher war, dass er es war, flehte ich zu einer höheren Macht: »Oh Gott! Lass ihn das nicht sein!« Ich zog meinen Bauch ein und drückte den Rücken durch. Aufrechten Hauptes schritt ich ihm todesmutig entgegen.
    Da wurde ich erhört. Denn jetzt sah ich ihn wirklich um die Ecke biegen.
    Nicolai war lang und dünn und erinnerte mich an eine Schildkröte. Das mochte an seinem langen Hals liegen und der nach vorne gestreckten Kopfhaltung. Vielleicht war es aber auch sein Alter. Er sah definitiv nicht so jung aus wie auf seinem Foto. Zumal er ein Kopftuch trug. Dazu Rockerklamotten: schwere Stiefel und Lederjacke, dazwischen eine enge schwarze Car­gohose, die Taschen zum Bersten gefüllt, vermutlich mit allerhand Bikerzubehör wie Schmieröl, Bedienungsanleitungen und der Taschenbuchausgabe von »Die Harley-Davidson – So helfe ich mir selbst«. Komisch, er hatte gar nichts von einem Motorrad erwähnt, als wir uns geschrieben hatten. Haare auf dem Kopf konnte ich – nicht zuletzt wegen des Kopftuchs – keine entdecken, was mich wunderte, denn auf dem Foto waren das einzige deutlich zu Erkennende die wilden dunklen Locken gewesen.
    Jedenfalls musste er das sein. Wie angekündigt, hatte er eine quietschgelbe Kurierfahrertasche über der Schulter hängen, und seine Größe stimmte mit der im Profil angegebenen überein. Mist. So hatte ich das doch auch wieder nicht gemeint, lieber Gott. Gab es denn kein Zwischending zwischen Mr. Sex on Legs und diesem »Flip der Grashüpfer meets Hells Angels«-Clown?
    »Ey, du bist bestimmt Sara!« Scheiße. Er war es. Und, schlimmer noch, er hatte mich erkannt. Für einen Moment verfluchte ich mich für mein Zögern, denn ich hatte noch kurz überlegt, einem imaginären Freund in der Ferne zuzuwinken und einfach an Nicolai vorbei- und lachend auf diesen zuzugehen. Dazu war es jetzt zu spät. »Ja. Dann bist du Nicolai?« Ich zwang mich zu einem Lächeln und nahm mir vor, das zu Hause vor dem Spiegel nochmal zu üben, denn ich hatte keine Ahnung, wie natürlich das jetzt rüberkam. »Jawohl, höchstselbst. Pass mal auf, ey, ich hab irgendwie blöd geparkt, wollte dich aber nicht so lange warten lassen, müsste meine Karre aber irgendwie anders hinstellen, umparken, irgendwie, kommste mit, kurz?« Mir war nicht bewusst gewesen, dass die Parkplatznot in Hamburg jetzt sogar Zweiradfahrer betraf. »Steht da vorne um die Ecke, vor Toni’s, kleiner Spaziergang.« – »Klar, ich komm mit.« Wir gingen los. Seinem Gang nach zu urteilen war er der Coolste. Wäre er an einer ca. 1,65 Meter hohen Mauer entlanggegangen, hätten Passanten auf der anderen Seite bei jedem zweiten seiner Schritte das Vergnügen gehabt, seinen Schildkrötenkopf zu sehen. »So, da wären wir.« Wir standen im absoluten Halteverbot vor einem schicken kleinen roten Flitzer. Einem Zweisitzer. Wahrscheinlich ein Porsche. Ein schnelles kleines Auto war für mich immer erstmal ein Porsche. Mein erstes und einziges vom eigenen Taschengeld gekauftes Spielzeugauto war schließlich auch ein Porsche gewesen; was für einer, wusste ich nicht. Wo war der eigentlich? Wahrscheinlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher