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Dracyr – Das Herz der Schatten

Dracyr – Das Herz der Schatten

Titel: Dracyr – Das Herz der Schatten
Autoren: Susanne Gerdom , Susanne
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geschehen ist, damit sie Bescheid weiß, falls die Order seiner Lordschaft kommt. «
    Die Order. Kay ahnte, was sie damit sagen wollte, und biss die Zähne fest zusammen. Sie war noch nie in ihrem Leben richtig geschlagen worden, schon gar nicht mit einer Peitsche. Die Nonnen der Heiligen Brigid, in deren Kloster sie aufgezogen worden war, hatten eine harte Hand und teilten damit gerne auch die eine oder andere Maulschelle aus, aber das konnte man wohl kaum mit einer Tracht Prügel vergleichen oder einer Auspeitschung. Kay holte zitternd Luft. » Tut es sehr weh? « , fragte sie beklommen.
    Bertha nickte knapp. » Ja « , sagte sie. » Aber fürchte dich nicht davor. Es ist nicht sicher, dass er dich bestrafen lässt. Immerhin hat er dich gezeichnet. « Ihr Blick hing einen Moment an dem Schnitt in Kays Wange, und das Unbehagen in ihrer Miene war so deutlich, als hätte sie laut ausgesprochen, was sie dachte: Du gehörst ihm.
    Kay schob den Gedanken energisch beiseite. Sie gehörte niemandem. Und außerdem war sie hier, um den Dracyrmeister zu töten, was also sorgte sie sich um dessen bleichen Sohn?
    Sie sprachen nicht mehr über den Vorfall, während Bertha sie zur Wäschekammer führte und ihr eine neue Garnitur heraussuchte. » Du brauchst ohnehin noch Kleidung zum Wechseln « , sagte sie. » Seine Lordschaft duldet keine schlampig gekleideten Dienstboten in seinem Haus. Ich werde die Schneiderin bitten, dir aus dem Bestand etwas Passendes herzurichten. Du bist recht groß, wir werden ein paar Säume auslassen müssen. « Sie lächelte und legte noch zwei Schürzen über Kays Arm.
    Der Schnitt pochte und ein dumpfer Schmerz saß zwischen ihren Augenbrauen. Kay sehnte sich nach einem Bett, in dem sie für ein paar Stunden Schlaf alles vergessen konnte. Bertha hatte ihr morgens ihre Kammer gezeigt, die sie mit einem der anderen Mädchen teilen würde. Das war schon beinahe ein Luxus, bei den Nonnen hatten die jüngeren Mädchen in einem großen Schlafsaal, die älteren in Zimmern zu je vieren geschlafen. Nur zu zweit– das war doch schon fast so gut wie ganz alleine.
    Jetzt, am späten Nachmittag, hatte sie die düstere kleine Kammer für sich allein. Es war kalt in dem fensterlosen Gelass, das nur hoch oben unter der Decke einen kleinen Schlitz besaß, durch das ein stetiger, kühler Luftzug hineinwehte. Der Schlitz führte nicht, wie sie vermutet hatte, hinaus ins Freie, sondern er war mit einem der unzähligen Schächte verbunden, die die Burg durchzogen wie Gänge einen Kaninchenbau. Ein zweiter derartiger Schlitz war in Bodenhöhe angebracht, durch ihn wurde winters warme Luft in die Kammer geleitet. Woher diese kam, wusste Bertha nicht zu sagen. Irgendwo aus den Tiefen, hatte sie gemurmelt. Es musste riesige Höhlen unterhalb der Burg geben, die sich weit in den Berg hinein erstreckten. Womöglich loderten dort riesige Feuer und wärmten das kalte Gemäuer.
    Kay streckte sich auf ihrem schmalen Bett aus und schlief beinahe augenblicklich ein.
    Im Traum wanderte sie durch finstere Höhlengänge tief unter der Erde. Die Luft war heiß und trocken, nicht feucht und kalt, wie man es von einer Höhle erwartete. Sie schmeckte metallisch, nach Rauch, Feuer und einer Ausdünstung, die fremd und wild erschien, animalisch und elementar zugleich.
    Kay tastete sich voran, jeden Augenblick in der Furcht, gegen ein Hindernis zu prallen oder zu stolpern, aber der Boden unter ihren Füßen erschien glatt und eben, wie polierter Stein. Sie war barfuß und trug eine seltsame Gewandung, eher einem Nonnenhabit gleich als ihrer gewöhnlichen Bekleidung.
    Was für ein seltsamer Traum, dachte sie. Der Schnitt in ihrer Wange juckte. Wo mag ich mich befinden? Dies hier ist der merkwürdigste Ort, den ich je zu Gesicht bekommen habe.
    Ein rötliches Licht narrte ihre Augen. Wenn sie es zu fixieren versuchte, erlosch es und tauchte wieder auf, sobald sie den Blick abwandte. Und da war nicht nur diese irritierende Lichterscheinung, auch ein Geräusch machte sich an der Grenze ihrer Wahrnehmung bemerkbar. Unterschwellig, dumpf, beinahe mehr ein Gefühl, ein Druck, als etwas wirklich Hörbares. Es machte sie kribbelig, wie Ameisen, die über ihre Haut liefen.
    Kay blieb stehen und schöpfte Atem. Die stickige Hitze laugte sie aus bis auf die Knochen. Sie legte die Hände gegen die Wand zu ihrer
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