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Draculas Eisleichen

Draculas Eisleichen

Titel: Draculas Eisleichen
Autoren: Jason Dark
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Kopf jetzt direkt in seinem Blickfeld lag. Zum Glück hatte der Tote eine rückwärtige Lage eingenommen, das Eis war zwar dick, in Höhe des Gesichts allerdings ziemlich klar, so daß Mesrin die Züge genau erkennen konnte.
    Es war bleich.
    Es war eigentlich alles bleich an dieser Gestalt. Die Stirn, die Wangen, das Kinn, die Ohren, selbst die Lippen hoben sich so gut wie nicht von der anderen Farbe ab.
    Eine Wasserleiche – oder?
    Nein, da war noch etwas, denn der Mund stand offen. Mesrin schaute schon sehr genau hin, um dies erkennen zu können, und er sah an beiden Seiten etwas schimmern.
    Es stach aus dem Oberkiefer hervor, war hell und besaß eine gelbliche Farbe. Aber auch spitz. So wie Zähne.
    Mesrin bekam einen trockenen Hals. Das… das waren keine normalen Zähne, denn diese hier sahen aus wie kleine Messer. Er kannte diese Zähne, obgleich er sie an diesem Tag zum erstenmal sah. Aber er hatte darüber gelesen. In den langen dunklen Nächten gab es für ihn kaum eine andere Beschäftigung, als sich durch dicke Bücher zu ackern, abgesehen von einigen Besäufnissen.
    Er hatte auch einen Roman von Bram Stoker gelesen, eingeschmuggelt aus dem Westen.
    Dracula hieß die Geschichte. Sie drehte sich um Vampire, um Blutsauger.
    Und die Gestalt im Eis war ein Vampir!
    »Mein Gott!« flüsterte Mesrin nur. »Mein Gott…«
    ***
    Er blieb so starr hocken, als hätte man ihn selbst vereist. Über seinen Rücken rann der kalte Schauer der Furcht, im Magen spürte er den klumpigen Druck, und der Wind kam ihm plötzlich vor wie Säure, die in seine Augen biß.
    Ein Vampir im Eis.
    Eine Eisleiche, die nicht tot war. Denn er erinnerte sich daran, daß auch in der Dracula-Geschichte die angeblich Toten wieder zum Leben erwacht waren, um sich auf die Suche nach Menschenblut zu machen.
    Vampire ernährten sich nun mal vom Blut der Menschen.
    Aber der lag im Eis.
    Iljuk sprach mit ihm, aber er hörte nicht hin. Mesrin fühlte sich wie in einem Alptraum gefangen. Er besaß Instinkt, und dieser Instinkt sagte ihm, daß dieser Vampir echt war und keine Puppe, die man eingefroren hatte.
    Ein Vampir im Eis!
    Grauenhaft, unvorstellbar eigentlich. Er merkte kaum, daß er sich wieder aufrichtete und starr neben seinem Begleiter stehenblieb. Der Fischer wollte ihn ansprechen, er überlegte es sich und schluckte seine Bemerkung herunter.
    Irgendwann nickte Mesrin.
    »Was hast du?«
    Er sprach nicht über den Fund und sagte nur: »Es war gut, daß du mich gerufen hast.«
    »Das meinte ich auch.«
    »Wer weiß noch von dem Fund?«
    Iljuk erschrak. »Ich… ich habe es niemandem erzählt, glauben Sie mir.«
    »Natürlich.«
    Der Fischer deutete auf die Scholle. »Sie klemmt fest, sie wird aber wahrscheinlich auftauen.«
    »Wann? In einigen Monaten?«
    »Das Eis…«
    »Nein, nein, Iljuk, so geht das nicht. Dieser Fund ist der reine Wahnsinn, und wir sind gezwungen, etwas zu unternehmen.«
    Der Fischer erschrak noch mehr. »Was denn? Willst du das Eis auftauen? Willst du…?«
    »Ich weiß es noch nicht.«
    »Aber du glaubst«, fragte der Fischer und holte dabei schwer Atem, »daß diese Gestalt echt ist, und daß man uns keinen hier untergeschoben hat.«
    »Wer sollte so etwas tun?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Eben.«
    Iljuk strich über seinen Hals, als wollte er dort unsichtbare Würgeklauen zur Seite drücken. »Aber irgendwoher muß er doch gekommen sein. Der ist nicht vom Himmel gefallen.«
    »Das stimmt.« Mehr sagte Mesrin nicht. Er war überfragt. Bei Fragen, die seinen Beruf angingen, hätte er Antworten geben können, aber nicht, was diesen Fund anbetraf. Das war einfach nicht zu begreifen.
    Erschaute gegen den Himmel und damit gegen die Sonne. War sie dunkler geworden, oder kam es ihm nur so vor?
    Etwas drängte sich über ihnen zusammen. Etwas Unheimliches, das sie nicht erfassen konnten. Der in der Eisscholle steckende Vampir kam ihm vor wie eine erste Warnung. Irgendwo schienen noch andere Wesen zu lauern, bereit für einen Überfall.
    Daß er sich an den Hals faßte, merkte er kaum. Er dachte daran, daß Vampire ihre Zähne in das dünne Fleisch des Halses hackten, um dort die Schlagader zu erwischen. Sie transportierte das meiste Blut.
    Er änderte seinen Blick und schaute über das graugrüne wellige Wasser, auf dem breite Eisplatten schwammen, als wären sie dabei, sich für ein Spiel vorzubereiten.
    Der Küste hier oben waren zahlreiche Inseln vorgelagert. Die meisten davon kaum erwähnenswert, weil sie einfach zu
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