Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula
Autoren: Bram Stoker
Vom Netzwerk:
guter Absicht, mit einem freundlichen Wort und mit einem Segenswunsch überreicht, begleitet von jenen beschwörenden Gesten, die ich schon vor dem Hotel in Bistritz gesehen hatte – dem Kreuzzeichen und dem Zeichen gegen den Bösen Blick. Dann lehnte sich der Kutscher vor, und auch die Fahrgäste starrten, die Ellbogen auf den Kutschenrand gestützt, gespannt hinaus in das nächtliche Dunkel. Es war offenkundig, dass etwas sehr Aufregendes geschah oder erwartet wurde; aber obgleich ich jeden meiner Reisegefährten fragte, gab mir keiner auch nur die kleinste Erklärung. Die allgemeine Erregung hielt an, bis wir vor uns endlich die östliche Öffnung des Passes erkennen konnten. Dunkle, drohende Wolken zogen über unseren Köpfen hinweg, und in der Luft lag die bedrückende Stimmung eines aufziehenden Gewitters. Es war, als trennte der Gebirgszug zwei grundverschiedene Atmosphären und als träten wir nun in die des Sturmes ein. Ich hielt nun selbst Ausschau nach dem Gefährt, das mich zum Grafen bringen sollte; jeden Augenblick erwartete ich, Wagenlaternen aufblitzen zu sehen, aber alles blieb dunkel. Das einzige Licht verbreiteten unsere eigenen Lampen, in deren flackerndem Schein der Dampf unserer vom Laufen heißen Pferde wie eine weiße Wolke aufstieg. Etwas heller lag vor uns der sandige Weg, aber nichts zeigte an, dass sich |19| auf ihm ein Wagen nähern würde. Die Fahrgäste seufzten erleichtert auf, was mein eigenes Missbehagen Lügen zu strafen schien. Ich dachte schon darüber nach, was nun zu tun wäre, als der Fuhrmann nach der Uhr sehend zu den anderen etwas sagte; so leise und ruhig, dass ich es kaum hören konnte. Ich meinte aber dennoch verstanden zu haben: »Eine Stunde vor der Zeit!« Dann wandte er sich zu mir und sprach in einem Deutsch, das wohl noch schlechter als meines war:
    »Keine Kutsche da, der Herr wird anscheinend gar nicht erwartet! Sie fahren nun am besten mit uns nach der Bukowina und kehren dann morgen oder übermorgen zurück; besser noch übermorgen.« Während er dies sagte, begannen seine Pferde zu wiehern, zu schnauben und wild auszuschlagen, sodass der Fuhrmann sie halten musste. Dann kam, begleitet von Schreien und wildem Bekreuzigen der Bauern um mich herum, von hinten eine Kalesche mit vier Pferden an uns heran und machte auf gleicher Höhe halt. Beim Schein der Laternen konnte ich erkennen, dass die Pferde kohlschwarz und prächtig gebaut waren. Die Zügel führte ein hochgewachsener Mann mit langem braunem Vollbart und einem großen schwarzen Hut, der wohl sein Gesicht vor uns verbergen sollte. Als er sich zu uns wandte, konnte ich ein paar funkelnde Augen sehen, die im Lampenlicht rot erschienen. Er sagte zu unserem Kutscher:
    »Du bist früh dran heute, mein Freund.« Der Mann erwiderte, verlegen stammelnd:
    »Der englische Herr hatte große Eile«, worauf der Fremde entgegnete:
    »Weil du ihn, wie ich vermute, nach der Bukowina fahren wolltest. Du kannst mich nicht täuschen, mein Bester, ich weiß zu viel, und meine Pferde sind schnell.« Während er das sagte, lächelte er, und der Schein der Laterne fiel auf einen harten Mund mit sehr roten Lippen und spitzen, schneeweißen Zähnen. Einer meiner Reisegefährten flüsterte seinem Nachbarn Worte aus Bürgers »Lenore« zu:
    |20| »Die Toten reiten schnell!« 3
    Der seltsame Kutscher hatte die Worte offenbar auch gehört, denn er sah den Sprecher lächelnd an. Dieser wandte sein Gesicht ab, spreizte mit der einen Hand zwei Finger und schlug mit der anderen das Kreuz. »Gib mir das Gepäck des Herrn«, forderte der Fremde, und mit außerordentlicher Geschwindigkeit wurden meine Koffer abgeladen und auf der Kalesche untergebracht. Ich stieg dann auf der Seite des Postwagens aus, wo die Kalesche stand, wobei mir der fremde Kutscher half, indem er meinen Arm mit stahlhartem Griff umspannte – seine Kraft muss beträchtlich sein. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zog er die Zügel an, die Pferde wendeten und jagten wieder der finsteren Enge des Passes zu. Als ich zurücksah, bemerkte ich noch den Dampf der Pferde, der im Laternenschein emporstieg, und dunkel sich davon abhebend meine sich bekreuzenden Reisegenossen. Ich hörte noch, wie ihr Kutscher die Peitsche klatschen ließ und den Pferden etwas zurief; dann flogen sie dahin, der Bukowina zu.
    Als sie im Dunkel verschwunden waren, überlief mich ein eisiger Schauer, und das Gefühl der Verlassenheit kam über mich. Der Kutscher aber legte mir einen Mantel um die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher