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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula
Autoren: Bram Stoker
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sah ihn mit der Wirtin sprechen. Das Gespräch drehte sich offensichtlich um mich, denn hin und wieder blickten sie zu mir herüber. Dann kamen noch einige Leute hinzu, die zuvor auf der Bank vor dem Hause gesessen hatten – so eine Bank nennen sie hier übrigens »Überbringer des Wortes«. Diese Leute hörten eine Weile zu, um mich daraufhin mitleidig anzusehen. Einige Wörter wiederholten sich immer wieder und drangen bis zu mir, seltsame Wörter, denn die Gruppe bestand aus verschiedenen Nationalitäten. Ich holte heimlich mein Wörterbuch aus der Reisetasche und suchte mir die gehörten Begriffe zu übersetzen. Was ich da las, war nicht dazu angetan, mich aufzuheitern, denn da stand »Ordog – Satan«, »Pokol – Hölle«, »Stregoica – Hexe«. »Vrolok« und »Vlkoslak« bedeuten dasselbe, das eine ist Slowakisch, das andere Serbisch für ein Wesen, das entweder ein Werwolf oder ein Vampir ist.
( Anm.
Ich muss den Grafen über diesen Aberglauben befragen!)
    Als wir abfuhren, schlug die ganze Versammlung vor der Wirtshaustür – die Menge war unterdessen beträchtlich angewachsen – das Kreuzzeichen und streckte dann zwei gespreizte Finger gegen mich aus. Nur mit Mühe erfuhr ich die Bedeutung dieser Geste von einem meiner Reisegefährten. Erst wollte er nicht mit der Sprache heraus, als ich ihm aber sagte, ich sei Engländer, erklärte er mir, dass es sich um einen Zauber zum Schutz gegen den Bösen Blick handle. Auch diese Auskunft war nicht sehr erfreulich für mich, der ich gerade zu einem unbekannten Ort aufbrach, um dort einen mir ebenso unbekannten Mann zu treffen. Andererseits waren alle Leute um mich herum so gutherzig, so besorgt und so sympathisch, dass ich nicht sosehr Verstörung als vielmehr Rührung empfand. Ich werde wohl nie den letzten Blick auf den Wirtshausgarten und die sich um den breiten Torweg drängende malerische Menge vergessen; wie sie sich bekreuzigten, im Hintergrund das reiche Blattwerk aus Oleander und Orangenbäumen, die in grünen Kübeln in der Mitte |15| des Hofes standen. Dann ließ unser Kutscher, dessen weite, hier »Gotza« genannte Leinenhose seinen gesamten Sitz bedeckte, seine lange Peitsche über den vier kleinen Pferden knallen, die alle nebeneinander angeschirrt waren, und wir waren unterwegs.
    Bei der Schönheit der Gegend, durch die wir fuhren, verlor ich rasch alle Erinnerung an die Gespensterfurcht der Leute. Hätte ich allerdings die Sprache oder vielmehr die Sprachen meiner Mitreisenden verstanden, so wäre ich die unangenehmen Eindrücke wohl nicht so schnell losgeworden. Vor uns lag ein grünes, sanft ansteigendes Land von bewirtschafteten und wilden Wäldern. Hier und dort gab es steile Hügel, gekrönt von einer Baumgruppe oder von einem Bauerngehöft, dessen Giebel zur Straße zeigte. Die Apfel-, Pflaumen-, Kirsch- und Birnbäume standen in reichster Blüte, und im Vorbeifahren schien das grüne Gras unter den Bäumen von herabgefallenen Blütenblättern übersät. Durch diese liebliche Hügellandschaft, die man das Mittelland nennt, zog sich die Straße dahin und verlor sich weit in der Ferne im Grünen. Dann wieder wurde sie von Fichtenwäldern aufgenommen, deren Spitzen wie dunkelgrüne Zungen hier und da an den Hügeln hinabliefen. Der Weg war holperig, trotzdem flogen wir mit fiebernder Hast darüber hin. Ich konnte mir diese Eile nicht erklären, aber der Kutscher war scheinbar darauf erpicht, ohne jeglichen Zeitverlust Borgo Prund zu erreichen. Man versicherte mir, dass unsere Straße im Sommer ausgezeichnet sei und dass man sie jetzt nur noch nicht von den Winterschäden wiederhergestellt habe. In dieser Hinsicht muss sie sich also von den übrigen Karpatenstraßen unterscheiden, welche nach alter Tradition nicht allzu gepflegt sind. Von alters her lassen die Hospodare 2 nämlich nichts ausbessern, um nicht bei den Türken den Argwohn zu erwecken, man wolle Truppen gegen sie marschieren lassen – der Funken des Krieges glimmt in dieser Region beständig unter der Asche.
    |16| Nach den sanften grünen Hügeln des Mittellandes begannen mächtige Waldhänge, die bis an den Rand der schroffen Karpatengipfel reichten. Beiderseits unseres Weges stiegen die Wälder an, und die pralle Nachmittagssonne ließ all die herrlichen Farben dieses wundervollen Landes leuchten: Die Schatten der Gipfel waren von tiefem Blau und von Purpur; Grün und Braun herrschten vor, wo Gras und Fels sich trafen. Darüber bot sich eine scheinbar endlose Aussicht auf
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