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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula
Autoren: Bram Stoker
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breit und kräftig, die Wangen schmal, aber noch straff. Der allgemeine Eindruck ist der einer außerordentlichen Blässe.
    Im Schein des Kaminfeuers hatte ich mir seine Hände angesehen, die auf seinen Knien lagen; ich hielt sie zunächst für ziemlich zart und schmal. Nun, da ich sie aus der Nähe sah, bemerkte ich, dass sie eigentlich sehr grob waren, breit und mit eckigen Fingern. Seltsamerweise wuchsen ihm Haare auf der Handfläche. Die Nägel waren lang und dünn, zu nadelscharfen Spitzen geschnitten. Als der Graf sich einmal über mich neigte und diese Hände mich berührten, konnte ich mich eines Grauens nicht erwehren. Möglicherweise war auch sein Atem schuld, denn es überkam mich ein Gefühl der Übelkeit, das ich mit aller Willenskraft nicht zu verbergen vermochte. Der Graf musste dies offenbar bemerkt haben, denn er zog sich mit einem grimmigen Lächeln zurück, das seine Zähne noch mehr hervortreten ließ, und nahm seinen Platz am Kamin wieder ein. Wir schwiegen daraufhin eine Weile, und als ich zum Fenster sah, bemerkte ich die ersten leisen Anzeichen des kommenden Tages. Es herrschte eine beängstigende Stille, doch als ich aufmerksamer lauschte, war es mir, als vernähme ich tief unten in den Tälern das Heulen zahlloser Wölfe. Mit funkelnden Augen sagte der Graf:
    »Hören Sie nur, die Kinder der Nacht! Was für eine Musik sie machen!« Mein Gesichtsausdruck zeigte wohl Verständnislosigkeit, denn er beeilte sich hinzuzufügen:
    »Ja, Sir, Stadtbewohner wie Sie sind wahrscheinlich nicht imstande, wie ein Jäger zu empfinden.« Dann stand er auf und sagte:
    »Übrigens werden Sie müde sein; Ihr Bett ist bereit. Morgen können Sie nach Belieben ausschlafen, denn ich habe bis zum Abend auswärts zu tun. Schlafen Sie also wohl und träumen Sie gut!« Mit einer höflichen Verbeugung öffnete er mir die Tür zu dem achteckigen Zimmer, und ich trat in mein Schlafgemach.
    Ich schwimme in einem Meer gemischter Gefühle; ich zweifle, |31| ich fürchte, ich denke an seltsame Dinge, die ich meiner eigenen Seele gar nicht einzugestehen wage. Gott schütze mich, und sei es auch nur um derer willen, die mir teuer sind.
     
    7. Mai
    Es ist wieder früher Morgen, aber ich habe die letzten vierundzwanzig Stunden geruht und es mir wohl sein lassen. Ich schlief bis spät in den Tag hinein und erwachte von selbst. Als ich mich angekleidet hatte, begab ich mich in das Zimmer, wo ich zu Abend gegessen hatte, und fand ein kaltes Frühstück bereit; der Kaffee war in einer Kanne auf dem Kamin heiß gestellt. Auf dem Tisch lag ein Kärtchen, auf dem die Worte standen:
    »Ich muss leider noch einige Zeit auswärts bleiben. Warten Sie nicht auf mich. D.« So setzte ich mich denn hin und ließ mir die Mahlzeit schmecken. Als ich fertig war, suchte ich nach einer Glocke, um von der Dienerschaft abräumen zu lassen, konnte jedoch nirgends etwas Derartiges entdecken. Das war allerdings merkwürdig in einem solchen Haus, das nach allem, was mich umgibt, den Eindruck des größten Reichtums erweckt. Das Tafelservice ist zum Beispiel aus purem Gold und so prunkvoll gearbeitet, dass es einen geradezu unermesslichen Wert besitzen muss. Die Bezüge der Stühle und Sofas und die Vorhänge meines Bettes sind aus den kostbarsten Stoffen gemacht und müssen schon zu der Zeit, da sie angefertigt wurden, einen immensen Preis gekostet haben. Sie sind wohl Jahrhunderte alt, dabei aber vorzüglich erhalten. Ich habe solche Dinge ja auch in Hampton Court 1 gesehen, aber da waren sie zerrissen und abgenutzt und von den Motten angefressen. Und doch gibt es seltsame Unzulänglichkeiten in all dem Reichtum: In keinem der Zimmer ist ein Spiegel. Es gibt nicht einmal einen Toilettespiegel über meinem Waschtisch, sodass ich meinen kleinen Handspiegel |32| aus dem Koffer nehmen musste, um mich überhaupt rasieren und frisieren zu können. Ich habe bisher weder einen dienstbaren Geist gesehen noch einen Laut gehört außer dem Heulen der Wölfe um die Burg. Nach Beendigung meiner Mahlzeit – ich weiß nicht, ob ich sie Frühstück oder Dinner nennen soll, denn es war zwischen fünf und sechs Uhr, als ich sie einnahm – sah ich mich nach Lektüre um, denn ich wollte ohne Wissen des Grafen die Burg nicht verlassen. Bücher oder Zeitungen gab es im Speisezimmer nicht, nicht einmal Schreibzeug konnte ich entdecken. Ich öffnete also eine Tür und befand mich überraschenderweise in einer Art Bibliothek. Eine weitere Tür, die der meinen gegenüberlag,
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