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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition)
Autoren: Naomi Novik
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ausgefranste, klaffende Löcher im Rumpf Richtung Osten fiel Tageslicht herein und ließ eine Wolke aus Rauch und Staub, die sich von der Kanone ausbreitete, glitzern. Die Donnernde Martha hatte sich aus ihrer Verankerung gerissen, und fünf Männer kämpften darum, sie trotz des Schlingerns des Schiffes lange genug festzuhalten, damit sie wieder gesichert werden konnte. Jeden Augenblick konnte sich die Kanone gänzlich lösen und über das Deck walzen, Männer unter sich begraben und vielleicht durch die Seitenwand brechen.
    »So, mein Mädchen, ruhig, ruhig…« Der Kapitän der Geschützmannschaft sprach mit ihr wie mit einem nervösen Pferd; seine Hände zuckten von der glühend heißen Trommel zurück. In einer Seite seines Gesichts steckten Splitter, die wie die Stacheln eines Igels in alle Richtungen hin abstanden.
    Im Rauch und im feuerroten Licht erkannte niemand Laurence, und er war nicht mehr als ein weiteres Paar helfender Hände. Seine Flughandschuhe steckten noch immer in seiner Manteltasche; er streifte sie sich über und stemmte sich vorne gegen das Kanonenrohr, doch das Metall brannte auf seinen Handflächen, selbst durch das dicke Leder hindurch. Nach einem letzten Ruck rastete die Kanone wieder auf der Lafette ein. Die Männer befestigten das Geschütz und standen anschließend im Kreis herum wie Pferde nach einem anstrengenden Rennen, keuchend und schwitzend.
    Das Feuer wurde nicht erwidert, keine Rufe waren auf dem Achterdeck zu hören, und durch die Kanonenlöcher war kein Schiff zu erkennen. Als Laurence eine Hand gegen die Wand presste, spürte er, wie das ganze Schiff wütend arbeitete; es war eine Art leise stöhnender
Klage, als ob es versuchte, zu hart am Wind zu segeln. An den Seiten gluckste das Wasser auf merkwürdige Weise; es war ein gänzlich unvertrauter Klang, und Laurence kannte die Goliath eigentlich gut. Vier Jahre lang hatte er auf ihr in der Offiziersmesse gedient, als er noch ein Junge war, zwei weitere als Leutnant, und er war bei der Schlacht auf dem Nil dabei gewesen. Er hätte immer behauptet, jede Nuance ihrer Stimme zu kennen.
    Er steckte seinen Kopf durch ein Kanonenloch hinaus und sah, wie der Feind wendete und zurückkehrte, um sie ein weiteres Mal zu passieren. Es war nur eine Fregatte, ein wunderschön getakeltes Sechsunddreißig-Kanonen-Schiff – nicht einmal die Hälfte aller Geschütze der Goliath . In Anbetracht dieser Tatsache war es ein absurder Kampf, und Laurence konnte nicht verstehen, warum sie selbst nicht gewendet hatten, um ihr Achterdeck zu beschießen.
    Stattdessen war nur ein leises Grollen von den Heckgeschützen über ihnen zu hören, was keine große Erwiderung provozierte, und nur eine Menge Rufe und Schreie. Als Laurence den Blick an der Goliath entlangwandern ließ, sah er, dass sie von einer riesigen Harpune getroffen worden war, die aus der Seite herausstach, als ob sie ein Wal wäre. Das Ende, das im Schiffsrumpf steckte, verfügte über mehrere bösartig gebogene Widerhaken, die so geschliffen waren, dass sie sich ins Holz gruben. Das Tau am anderen Ende der Harpune reichte hoch und immer höher in die Luft, wo zwei riesige, schwergewichtige Drachen es festhielten: ein älterer Parnassianer, der vermutlich in früheren Friedenszeiten an Frankreich verkauft worden war, und ein Grand Chevalier.
    Dies war nicht die einzige Harpunenspitze: Drei weitere Tau-Enden baumelten von ihren Klauen hin zum Bug, und zwei weitere konnte Laurence achtern ausmachen. Die Drachen waren für ihn zu weit oben, als dass er irgendwelche Details hätte ausmachen können, solange das Schiff so unter ihm schaukelte, aber irgendwie waren die Taue an ihren Geschirren befestigt, und allein dadurch, dass die Tiere gemeinsam flogen und zogen, drehten sie die Schiffsspitze
in den Wind: Alle Segel schienen gestrichen worden zu sein, und die Drachen waren zu hoch in der Luft, als dass man sie mit einer Kanonenkugel hätte treffen können. Einer von ihnen musste von den unablässig feuernden Schrapnellgeschützen niesen, aber die Tiere schlugen einfach ein wenig kräftiger mit den Flügeln, um den Geschossen zu entkommen. Das Schiff zogen sie dabei ebenfalls weiter.
    »Äxte, Äxte«, schrie der Leutnant, und schon hörte man das Scheppern von Eisen, denn die Schiffsmatrosen schleuderten ihnen auf dem Boden Waffen zu: Handäxte, Entermesser und gewöhnliche Messer. Die Männer griffen danach und streckten die Arme durch die Kanonenöffnungen in dem verzweifelten Versuch,
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