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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen
Autoren: Dean R. Koontz
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würde jetzt wissen, dass er es mit einer unermesslichen Macht zu tun hatte und dass Fliehen sinnlos war. Es wäre bestimmt ungeheuer befriedigend, eine Weile die Angst und Ehrfurcht zu genießen, mit der er inzwischen seinen Verfolger betrachten würde.
    Doch zunächst musste Bryan seinen physischen Hunger stillen. Schlaf war nur ein Teil der Stärkung, die er brauchte. Er wusste, dass er während der letzten kreativen Phase ein paar Pfund verloren hatte. Der Einsatz seiner Größten und Geheimsten Kraft forderte immer seinen Tribut. Er war total ausgehungert und brauchte Süßigkeiten und Salzgebäck.
    Er verließ sein Schlafzimmer, wandte sich nach rechts, also von der Vorderfront des Hauses ab, und eilte über den Flur zur Hintertreppe, die direkt zur Küche führte.
    Es fiel genügend Licht aus der offenen Schlafzimmertür, dass er sich rechts und links gehen sehen konnte, Spiegelbilder des jungen Werdenden Gottes, ein Anblick von Macht und Herrlichkeit, wie er aufs äußerste entschlossen in königlichem Rot einher schritt, wirbelndes königliches Rot, Rot auf Rot auf Rot. Connie wollte sich nicht von Harry trennen. Sie machte sich Sorgen um ihn.
    Im Zimmer der alten Frau in dem Pflegeheim hatte er wie der Tod auf Urlaub ausgesehen. Er war entsetzlich müde, eine wandelnde Masse von Quetschungen und Schrammen, und er hatte in kaum mehr als zwölf Stunden erlebt, wie seine Welt zusammenbrach, er hatte nicht nur seinen weltlichen Besitz verloren, sondern auch lange gehegte Überzeugungen und einen großen Teil seines Selbstbilds.
    Abgesehen von den weltlichen Besitztümern traf das natürlich auch größtenteils auf Connie zu. Was ein weiterer Grund war, weshalb sie nicht wollte, dass sie das Haus getrennt durchsuchten. Sie waren beide nicht in ihrer gewohnten Form, doch in Anbetracht der besonderen Eigenart dieses Kerls brauchten sie einen größeren Vorteil als sonst, also mussten sie sich trennen.
    Während Harry zur Treppe ging und dann hinaufstieg, wandte Connie sich widerwillig der Tür zu, die rechts von der Diele abging. Sie hatte eine Klinke. Connie drückte sie vorsichtig mit der linken Hand runter, den Revolver hielt sie vor sich in der rechten Hand. Die Klinke machte ein ganz leises Geräusch. Vorsichtig die Tür nach innen und nach rechts schieben.
    Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als die Schwelle zu überqueren, den Eingang so schnell wie möglich freizumachen - Eingänge sind immer am gefährlichsten - und im Hineingehen sofort nach links zu huschen, den Revolver mit ausgestreckten Armen in den verschränkten Händen vor sich haltend. Mit dem Rücken immer zur Wand. Sie strengte ihre Augen an, um in der tiefen Dunkelheit etwas sehen zu können, da sie das Licht nicht anmachen konnte, ohne sich zu verraten.
    Eine erstaunlich große Anzahl von Fenstern an der Nord-, Ost- und Westwand - außen waren doch nicht so viele, oder? -lockerten die Dunkelheit nur wenig auf. Ein verschwommen schimmernder Nebel presste sich gegen die Scheiben wie trübes graues Wasser, und sie hatte das merkwürdige Gefühl, in einer Taucherglocke unter dem Meer zu sein.
    Mit dem Zimmer stimmte etwas nicht. Es kam ihr irgendwie nicht richtig vor. Sie wusste nicht, was es war, aber irgendwas war nicht in Ordnung.
    Auch die Wand in ihrem Rücken fühlte sich eigenartig an, als sie sie streifte. Zu glatt und kalt.
    Sie nahm die linke Hand von der Waffe und fasste hinter sich. Glas. Die Wand bestand aus Glas, aber es konnte kein Fenster sein, weil die Wand an die Diele grenzte.
    Einen Augenblick war Connie verwirrt und dachte fieberhaft nach, weil alles Unerklärliche unter den gegebenen Umständen besonders beängstigend war. Dann wurde ihr klar, dass es sich um einen Spiegel handelte. Ihre Finger glitten über eine senkrechte Fuge auf eine weitere große Glasscheibe. Verspiegelt. Vom Fußboden bis zur Decke. Wie die Südwand der Diele.
    Als sie auf die Wand hinter sich blickte, an der sie so versohlen entlang geglitten war, sah sie dort die Fenster der Nordseite und den Nebel dahinter widergespiegelt. Kein Wunder, dass hier mehr Fenster waren, als es eigentlich hätten sein sollen. Die fensterlose Süd- und Westwand waren verspiegelt, also waren die Hälfte der Fenster, die sie sah, nur Spiegelbilder.
    Und ihr wurde auch klar, was sie an dem Zimmer gestört hatte. Obwohl sie sich immer weiter nach links bewegt hatte, in unterschiedlichen Winkeln zu den Fenstern, hatte sie zwischen sich und den gräulichen Rechtecken aus
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