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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
Autoren: Licia Troisi
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brach Sofia ab. » Das höre ich jeden Morgen von dir. Doch dadurch hat sich dieser Ausdruck des Bedauerns längst selbst entwertet.«
    So war sie. Sie sprach, als lese sie aus einem Lexikon ab, wie Giovanna sagte.
    » Beim Mittagessen wirst du ausreichend Zeit haben, dir über deine Verfehlungen Gedanken zu machen.«
    Sofia wusste zu gut, was das bedeutete. Aber sie versuchte noch nicht einmal, sich dagegen zu wehren.
    » Du wirst die ganze Woche Dienst in der Küche tun.«
    Das Mädchen öffnete den Mund, bekam aber keinen Ton heraus. Es wäre sinnlos gewesen. Allerdings traf sie das Strafmaß mit der Wucht eines Faustschlags.
    » Setz dich!«
    Mit gesenktem Kopf schlich sie zu ihrer Bank, blieb dort stehen, bis das allmorgendliche Gebet fertig gesprochen war, und setzte sich dann endlich, um dem Unterricht zu folgen.
    Eigentlich war es ein Tag wie jeder andere. Sofia war gar nicht so schlecht in der Schule, jedenfalls nicht schlechter als der Durchschnitt. Aber obwohl sie sich wirklich Mühe gab, schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. Es war nicht ihre Schuld, aber hatte sie eine halbe Stunde, den Kopf in eine Hand gestützt, dagesessen und versucht, sich jedes Wort zu merken, begann sie zu träumen und sich in ihren Gedanken zu verlieren. Häufig spann sie die Geschichten weiter, die sie aus Büchern kannte, erfand Figuren hinzu und versetzte sich in deren Abenteuer. Sie mochte Bücher und las nachts unter der Bettdecke, mit der Taschenlampe zwischen den Zähnen und gespitzten Ohren, ob Giovanna oder irgendeine andere Aufsicht noch einmal einen Rundgang durch die Zimmer machte. Die Bücher, die sie am liebsten las, Fantasy- oder Horrorgeschichten, waren nicht nach dem Geschmack ihrer Lehrer. Doch davon ließ sie sich nicht abschrecken und besorgte sie sich heimlich. Alles bot Stoff für ihre blühende Fantasie, die sie weit hinausführte aus dem kleinen, im Winter zu kalten und im Sommer zu heißen Klassenzimmer, in dem sie mit den anderen Schülern, Waisen wie sie selbst, lernen musste.
    » Sofia!«
    Sie sprang auf. Jetzt war es ihr wieder passiert. Eben hatte sie noch im Klassenzimmer gesessen und dem Musiklehrer zugehört, der etwas von Mozart erzählte, und plötzlich fand sie sich zwischen Spitzen und Brokat am Wiener Kaiserhof wieder, ihrem Märchenschloss.
    » Nun, was ist? Bekomme ich jetzt eine Antwort oder nicht?«
    Verzweifelt suchte Sofia nach einem Anhaltspunkt, der ihr verriet, wovon eigentlich die Rede war. Sie blickte zur Tafel, dann zu den Mitschülern, deren Mienen ihr aber nichts verrieten.
    » Saliera«, hörte sie da jemanden flüstern. Vielleicht Marco, der in der Bank hinter ihr saß. » Es ist Saliera.«
    Wie an einen Rettungsanker klammerte sich Sofia an diesen vermeintlichen Namen und rief: » Saliera [1] !«
    Die ganze Klasse brach in schallendes Gelächter aus, während der Lehrer sie mit eiskalter Miene anstarrte. » Ach, das ist mir neu, dass Salzstreuer so große Musiker sind und einer von ihnen sogar Mozarts größter Rivale war.«
    Sofia errötete bis zu den Haarwurzeln.
    » Salieri, Sofia, Salieri hieß der Mann! Wieder eine glatte Sechs, die zweite schon diesen Monat, wie ich sehe …«, murmelte der Lehrer, während er zum Stift griff.
    Sofia ließ sich zurück auf den Stuhl fallen und hoffte dabei inständig, unter ihr würde sich ein Abgrund auftun und sie verschlucken. Doch vorher konnte sie es sich nicht verkneifen, sich zu ihrem hinterhältigen Ratgeber umzuschauen.
    Auf ihren vorwurfsvollen Blick zuckte Marco nur mit den Achseln. » Ach, Kürbis, du bist wirklich ein hoffnungsloser Fall. Bei dir macht’s schon gar keinen Spaß mehr, du fällst ja sowieso auf alles rein.«
    » Sofia!«
    Das Mädchen fuhr herum.
    » Legst du Wert auf eine weitere Sechs oder hörst du freiwillig auf, Marco zu stören?«
    » Aber ich …«
    » Hab wenigstens den Anstand zu schweigen und erzähl uns bitte nichts mehr von musizierenden Salzstreuern.«
    Sofia gab auf. Sie hatte keine Chance, das Schicksal war immer gegen sie.
    Auch das Mittagessen war nicht nach ihrem Geschmack, denn heute war Erbsentag, und sie hasste Erbsen, so wie sie hier im Waisenhaus zubereitet wurden. Mit Sellerie! Eine absonderlichere Zusammenstellung konnte sie sich gar nicht vorstellen.
    Der Junge gegenüber am Tisch reichte ihr den Salzstreuer. » Na, spiel uns doch mal was vor, Kürbis!« Alle um sie herum prusteten los.
    Sofia versuchte, eine gewisse Würde zu wahren. » Das war Marcos Schuld. Er hat mir
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