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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz
Autoren: Ute Haese
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extra einen wirklich guten Sekt geöffnet.
    »Ich habe da letztens zufällig etwas über deine Liebesschmonzetten gelesen, das wird dich interessieren, Hemlokk!«, fing Harry betont harmlos an.
    Draußen krähte ein Hahn. Durchdringend und wie aufgezogen. Ich lauschte. Es handelte sich zweifellos um einen dörflichen Neuzugang, denn in den vergangenen Jahren hatte lediglich Silvia, meine kuhische Nachbarin, über den See gemuht. Auch Marga spitzte sichtbar die Ohren, während ich ernsthaft überlegte, Harry aufzufordern, endlich das Hemlokk wegzulassen und mich mit Hanna anzureden. Wie jeder andere es tat und wie es sich eigentlich gehörte.
    »Ach ja?«, gelang es mir stattdessen scheinbar völlig gleichgültig hervorzuquetschen, während ich an Thomas’ schief stehendem Hemdkragen herumzupfte und ihn dabei mit flehentlichen Blicken traktierte. Er verstand sofort.
    »Bei uns in der Firma hat vor zwei Monaten eine neue Sekretärin angefangen.« Er schüttelte kummervoll den Kopf. »Die arme Frau hat es wirklich nicht leicht. Wenn ich euch das erzähle –«
    »Im Job?«, assistierte ich flink, obwohl ich keine Ahnung hatte, auf was das Ganze hinauslaufen sollte. Eine Bleistiftallergie vielleicht? Oder Mobbing? Das war doch heute zumindest in der Presse total en vogue. Ich sagte das einzig Angemessene, nämlich: »Erzähl doch mal!«
    Aber er kam nicht dazu, denn bevor er den Mund auch nur einen Millimeter öffnen konnte, siebte Harry auch schon gnadenlos dazwischen: »Diese Liebesdinger sind Pornos für Frauen, haben Wissenschaftler herausgefunden.«
    »Ach, das glaube ich nicht«, erwiderte Thomas unschuldig und langte nach einem marinierten Hühnchenbrustteil. »Was soll denn daran Porno sein? Die sind doch völlig harmlos. Aber ich wollte euch von Greta erzählen. Passt auf, das ist wirklich furchtbar!«
    Harry stand wortlos auf und verließ den Raum. Er konnte Thomas nicht leiden. Ich hatte es gewusst. Trotzdem traf es mich schon ein bisschen. Wahrscheinlich hielt er ihn für einen Mega-Langweiler, weil er nur als Techniker arbeitete und kein hipper Journalist mit Kontakten zu sonst wem Wichtigen war. Snob.
    Ich erhob mich ebenfalls.
    »Schätzelchen«, raunte Marga beschwichtigend, während Harry in der Diele fürchterlich rumorte.
    Ich sank auf meinen Stuhl zurück. Okay, nicht hier und nicht jetzt. Aber in absehbarer Zeit bestimmt, Harry Gierke!
    »Los!«, zischte ich Thomas genervt an.
    »Bitte?«
    »Nun erzähl endlich von dieser Greta, Herrgott noch mal! Sonst lässt Harry überhaupt nicht mehr von seinem Thema ab.« Ich merkte durchaus, dass mein Liebster mir einen reichlich konsternierten Blick zuwarf. So ging man auch nicht unbedingt miteinander um. Wahrscheinlich vermutete er, dass Harry und ich irgendwann einmal etwas miteinander gehabt hatten und er sich deshalb wie ein Eunuch im Harem gebärdete. Er konnte ja nicht wissen, dass Harry Gierke manchmal gar keinen Grund brauchte, um unausstehlich zu sein.
    »Tja, also, sie heißt Greta Gallwitz, die Frau, von der ich berichten wollte«, begann Thomas immer noch leicht irritiert, aber gehorsam. »Und ihre Geschichte ist damals durch alle Zeitungen gegangen, weil sie wirklich tragisch ist. Und jetzt lässt irgend so ein Schwein, so ein kranker Perverser die Arme nicht in –«
    Die Tür flog auf, und Harry knallte mir eine angeschmuddelte Fotokopie vor die Nase. »Sieh dir das an, Hemlokk! Da steht es. Taschenheftromane sind Pornos für Mädchen und Frauen.«
    »Na und wenn schon, Harry!«, konterte ich erbost. Auch gut, dann schrieb ich eben nicht nur gesellschaftlich Bedenkliches, sondern auch noch Pornos. Das taten schließlich die geachtetsten Schriftsteller seit Urzeiten, und es krähte kein Hahn danach. Ich konnte damit leben, und wenn Harry oder meine Mutter damit Probleme hatten, war das ganz allein ihre Sache. »Auch wenn du es wieder und wieder zum Besten gibst, wird es nicht besser, wahrer oder lustiger!«, fuhr ich ihn grob an. Langsam war ich mit meinen Nerven am Ende.
    »Und jetzt sucht sie natürlich ganz schnell eine neue Wohnung, die ein bisschen abseits vom Schuss liegt und ihr Schutz bietet«, sagte Thomas ernst. »Das kann man verstehen, nicht?«
    »Wer denn? Von wem redest du?«, entfuhr es mir. Was faselte er da für Sachen zusammen? Waren wir vielleicht alle verrückt geworden? Absurdes Theater war ja nichts gegen das, was wir hier aufführten.
    »Greta Gallwitz, die Frau, von der ich euch die ganze Zeit zu erzählen versuche«,
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