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Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Titel: Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
Autoren: Colin Cotterill
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schickte er Herrn Geung mit einem Anforderungsschein in die Küche, während er mit Heftpflastern Dämme um die tiefsten Wunden baute. Als Geung zurückkam, rührte Dtui eine dicke Agar-Agar-Lösung an, und sie gossen die Hohlräume damit aus, sodass lauter kleine Kraterseen entstanden.
    »Macht man das immer so?«, wollte Dtui wissen.

    »Nun ja, im Westen nimmt man dazu im Allgemeinen Gips, aber das können wir uns leider nicht leisten. Nicht einmal in der Unfallchirurgie haben sie welchen. Also müssen wir hiermit vorliebnehmen. Aber wehe, Sie kriegen Heißhunger und plündern die Kühlkammer, bevor die Abgüsse fest sind.«
    »Keine Sorge.«
    Nach ein paar Stunden war das Agar-Agar ausgehärtet und sah aus wie Wackelpudding mit kleinen, zahnförmigen Türmchen. Geung stellte sie in die Kühlkammer, und sie bereiteten Tante See für die Leichenöffnung vor.
    Zum Neujahrsfest hatte das Justizministerium der Pathologie eine sowjetische Klimaanlage verehrt, damit die Männer nicht mehr in kurzen Hosen und Unterhemd arbeiten mussten. Dtui brauchte sich nicht mehr vor die offene Tür der Kühlkammer zu stellen, um sich zu erfrischen. Doch die drückende Hitze, die an diesem Tag über der Hauptstadt lag, schien die russische Technik zu überfordern. Man konnte die Anlage vermutlich noch ein wenig weiter aufdrehen, aber Siri war des Russischen nicht mächtig. Deshalb musste Herr Geung ihnen mit einem Handtuch unentwegt die Stirn abwischen, als sie sich über die tote Tante beugten.
    Die alte Dame hatte vor allem eine Menge Blut verloren. Mutmaßliche Todesursache war die Attacke, denn zuvor hatte sie eindeutig noch gelebt. Ihr Verdauungstrakt war in beklagenswertem, aber keineswegs lebensbedrohlichem Zustand. Davon abgesehen war sie in so guter Verfassung, dass sie jedes normale Vorstadtraubtier problemlos hätte in die Flucht schlagen müssen.
    Blieb die Größe der Wunden. Und die gab Siri schwer zu denken. Während Dtui den Bericht tippte und Geung den
Sektionssaal schrubbte, inspizierte er die in Agar-Agar gegossenen Abdrücke. Mit einem Lineal vermaß er den Kiefer und den Abstand zwischen den Klauen.
    Um halb zwölf, als seine Assistenten die entnommenen Proben in Gläser füllten und beschrifteten, gelangte Siri, allein auf Grund seines sonderbaren Traumes, zu dem ausgesprochen unlogischen Schluss, dass Tante See von einem Bären angefallen und getötet worden war.
     
    Mittagszeit. Civilai ging mit seinen Brötchen zum Flussufer hinunter, setzte sich auf den Baumstamm und wartete auf seinen Freund und Fresskumpan. Er war leidlich in die Siang Pasason vertieft, als Siri ihm auf die Schulter tippte.
    »Verzeihung, der Herr. Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Civilai faltete die Zeitung zusammen. »Meinetwegen. Solange nichts Besseres des Weges kommt.«
    »Wie der verrückte Rajid?«
    »Zum Beispiel. Aber der kniet ja den lieben langen Tag im Wasser.«
    Er deutete zum Fluss, der jetzt, am Ende der heißen Jahreszeit, zu einem schmalen Rinnsal geschrumpft war. Rajids kahler Schädel ragte aus dem Wasser wie ein fröhlicher schwarzer Penis. Er war ein stadtbekannter Trottel. Niemand wusste, welche fahrende indische Sippe ihn vor fünfzehn Jahren als Kind hier zurückgelassen hatte. Eines Tages saß er einfach auf der Vortreppe der Schwarzen Stupa. Seither fütterten die Einheimischen ihn bereitwillig durch, und zum Dank dafür zog er lächelnd durch Vientiane und bezirzte sie mit seinem unbändigen Frohsinn. Er hatte kein Zuhause und brauchte auch keins.
    »Bei dieser Hitze beneide ich den Burschen.«
    »Es ist aber auch wirklich heiß heute, was?«

    »Verdammt heiß.«
    Siri setzte sich und packte sein Baguette aus. Seit ihrem fehlgeschlagenen Rendezvous verkaufte Frau Lah ihre Leckereien anderswo. Sein Mittagessen holte er sich jetzt bei einer Vietnamesin am Ende seiner Straße. Sie hatte zwei Sorten zur Auswahl: süß oder pikant. Womit es belegt war, ließ sich bestenfalls erahnen, und oft war Siri selbst dann nicht schlauer, wenn er hineingebissen hatte. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.
    »Steht was Interessantes in der Zeitung?«
    Civilai lachte. In einem Einparteiensystem machte die Presse nur selten durch spektakuläre Enthüllungen und spannende Reportagen von sich reden.
    »Die Wintersportbedingungen in der Tschechoslowakei haben sich gebessert.«
    »Mir fällt ein Stein vom Herzen.«
    »Die Fußballergebnisse aus Albanien. Der 17.Teil von Lenins Lebensgeschichte. Unser Militärattaché ist in
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