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Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth

Titel: Dr. Siri sieht Gespenster - Cotterill, C: Dr. Siri sieht Gespenster - Thirty-Three Teeth
Autoren: Colin Cotterill
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Fall damit erledigt.
    Für Vientiane hingegen fing er gerade erst an.

1
    TRAUTES HEIM, GLÜCK ALLEIN?
    Der neue Vorort schmorte in der Sonne. Genosse Civilai entstieg seiner aufgeheizten schwarzen Limousine und trat, ohne die Türen zu verriegeln, vor das Betonmausoleum, das man Dr. Siri als neue Bleibe zugewiesen hatte. Tor und Haustür standen offen, sodass er bis in den kleinen Garten sehen konnte. Kein Mobiliar verstellte ihm den Blick.
    Er schleuderte seine Sonntagssandalen von den Füßen und betrat das Wohnzimmer. Es schien, als hätten Maler und Bauarbeiter es eben erst verlassen. Die Wände erstrahlten in demselben jungfräulichen Hellblau wie der Flughafen Wattay. Sie waren gänzlich unbefleckt, nirgends hingen Bilder, Plakate oder Fotos von Helden der Revolution. Keine Stuckenten flogen in Formation. Keine Uhr tickte. Hätte er nicht gewusst, dass Siri seit einem Monat hier lebte, hätte er das Haus für unbewohnt gehalten.
    Auf seinem Weg durch den Flur kam er an einem kleinen Zimmer vorbei, wo achtlos aufgetürmte Kleider ihm verrieten, dass er im Begriff war, sich einer primitiven Lebensform zu nähern. Im Garten fand er sie. Dr. Siri Paiboun, staatlicher Leichenbeschauer wider Willen, verwirrter Seher
und enttäuschter Kommunist in Personalunion, schaukelte sanft in einer zwischen zwei Jackfruitbäumchen aufgespannten Hängematte. Unter der Last eines gewichtigeren Menschen wären die zarten Gewächse zweifellos zusammengebrochen.
    In Siris Schatten lag Saloop, seines Zeichens Lebensretter und Straßenköter außer Dienst, und sabberte gemächlich auf die heiße Erde. Er klappte ein Auge auf, befand Civilai für zu alt und zu kahl, um eine Bedrohung darzustellen, und träumte weiter.
    Noch vor vier Wochen war der Garten eine Schutthalde gewesen. Jetzt war er ein Dschungel. Siri hatte alles darangesetzt, die Umgebung wiederherzustellen, in der er die letzten vierzig seiner zweiundsiebzig Lebensjahre verbracht hatte. An den vergangenen vier Wochenenden war er mit seinen lieben Kollegen aus der Pathologie durch die Außenbezirke gezogen und hatte dort nach Herzenslust geplündert. Sie hatten eine Unmenge von Bäumen und Sträuchern in diesen bescheidenen Sandkasten verschleppt – der Dank der Partei für Siris Dienste.
    »Ich störe hoffentlich nicht«, sagte Civilai, der selbstverständlich genau wusste, dass er störte. Siri schlug langsam seine schaurig grünen Augen auf und sah, dass sein Freund sich über ihn beugte.
    »Ah, Boy. Stell er den eisgekühlten Limettensaft dort auf den Tisch, und dann verkrümele er sich spornstreichs in sein Dienstbotengemach.«
    Civilai war zwei Tage älter als der Doktor. Die Freunde hatten im Jahr des Hasen das Licht der Welt erblickt und verfügten über die entsprechenden Eigenschaften, Fleiß und Arglist. Nur mit ihren fleischlichen Gelüsten war es nicht weit her: Beide hatten ihre erste Liebe geheiratet und
waren ihr ein Leben lang treu geblieben. Womit sie zu einer in Laos eher seltenen Rammlerspezies gehörten.
    »So also verbringt die bourgeoise Ärzteschaft den Sonntag? Müsstest du nicht eigentlich Gräben für die Republik ausheben?« Er sank auf die Holzpritsche auf der kleinen Veranda und lehnte sich zurück.
    »Ich bin ein gebrechlicher alter Mann, Bruder. Ein Tag körperlicher Arbeit könnte mich direktemang ins Grab befördern. Wie es aussieht, habe ich vermutlich ohnehin keine vier Wochen mehr zu leben. Darum sollten deine Genossen aus dem Politbüro sich schleunigst nach einem Pathologen umsehen, der meinen Posten übernehmen kann.«
    Dr. Siri war alles andere als gebrechlich. Es sollte Jahre dauern, bis das Schicksal ihn in Schussweite der schwarzen Bogenschützen des Todes führen würde. Noch flitzte der ebenso gedrungene wie robuste Greis wie eine vorwitzige Wasserratte durch die Gegend. Selbst jüngere Männer hatten bisweilen Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
    Sein Verstand war seit einiger Zeit sogar noch schärfer als zuvor. Er war immer schon ein kluger Kopf gewesen; in den vergangenen fünf Monaten jedoch hatte er sich die Sorte Wissen angeeignet, die nicht an Universitäten unterrichtet wird. Aus ihm schleierhaften Gründen war er als laotischer Honorarkonsul ins Geisterreich entsandt worden.
    Diese neue Stellung vertrug sich wider Erwarten prächtig mit seiner Tätigkeit als erster und einziger Leichenbeschauer der Demokratischen Volksrepulik Laos. Zwar war es ihm bislang nicht gelungen, die Besuche aus der Geisterwelt zu steuern oder
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