Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
Seite, ein Ballett der Schatten, Corcoran war zwei Stufen über ihm und riß mit leiser Stimme einen Witz, als Aspinall uns in das Speicherzimmer führte und das Licht einschaltete. Mein Herz klopfte, als wollte es aus der Brust springen. Es war warm wie im Hochsommer. Mein Hemd war durchgeschwitzt. Und was erwartete ich – daß Iris es genießen würde? Daß es für sie höchste Zeit war, meine eigentliche Arbeit kennenzulernen? Daß der Anblick von Corcoran – und wem, Violet? – beim Geschlechtsakt sie irgendwie erregen, ihr den Wind aus den Segeln nehmen oder sie wenigstens einbinden würde? Aber vielleicht war ich auch auf dem Holzweg. Vielleicht hatte Prok etwas ganz anderes vor und wollte uns einen weiteren Tierfilm zeigen, über Biber, Hamster oder Chinchillas. Doch es war kein Projektor zu sehen. Und das Licht war grell.
»Gut«, sagte Prok und schloß die Tür hinter uns mit einem vernehmlichen Klick. »Sehr gut. Macht es euch bitte gemütlich.«
Das Bett in der Ecke war wie beim letzten Mal, als wir hier gefilmt hatten, beleuchtet wie eine Bühne, doch die Stühle waren verschwunden und durch ein paar auf dem Boden liegende Matratzen ersetzt worden. Ich dachte an den Sportunterricht in der Highschool, wenn der Lehrer die Matten auslegen ließ und wir angespannt in einer Reihe an der Wand saßen, bis er zwei Jungen auswählte, die miteinander ringen mußten, drei endlose Minuten lang, vom ersten Kontakt bis zum Ende. Verstummt ließen wir uns nieder, und jeder hielt sich unbewußt an seinen Partner, alle bis auf Mac, die sich mit einem leisen Lächeln neben Iris und mich setzte. Rutledge warf mir einen Blick zu – es war dieser Blick, den er auch an jenem Abend gehabt hatte, als Corcoran und Betty uns zum ersten Mal eine Vorführung gegeben hatten. Er war erregt, und ich war es, gegen meinen Willen, ebenfalls.
»Ich sage, das hier ist längst überfällig«, begann Prok. Er stand knapp außerhalb des Lichtscheins, beugte sich steif zu uns und gestikulierte mit einer Hand, wodurch sein Gesicht im Schatten lag, während seine Silhouette vom hellen Schimmer des Scheinwerferlichts eingerahmt war wie die eines Schauspielers, der aus den Kulissen tritt, um einen Monolog zu halten. Und wer wäre er gewesen? Jago? Richard III.? Prospero? »Denn das, was wir hier erschaffen, verdankt sich einzig und allein unserem Engagement – dem Einsatz meiner Mitarbeiter und der Frauen, die hinter ihnen stehen. Keiner von uns darf auch nur im mindesten verklemmt sein – schon der Vorwurf wäre fatal –, denn das würde nicht nur dem Projekt, sondern auch den Prinzipien, die ihm zugrunde liegen, irreparablen Schaden zufügen.«
Er hielt inne und sah uns der Reihe nach an, und das Licht schien sich zu ballen und zu verdichten, als er den Kopf drehte. »Es tut mir leid, aber wir sind nichts als Heuchler, wenn wir nicht imstande sind, zu tun, was wir predigen, wenn wir nicht imstande sind, ohne Hemmungen miteinander umzugehen, denn wir sind Pioniere, daran kann wohl kein Zweifel bestehen. Eine statistische Erhebung, ganz gleich, wie sorgfältig sie durchgeführt wird, kann die Fakten natürlich niemals so klar zeigen wie die direkte Beobachtung, und daher haben wir, wie den meisten von euch bekannt ist, seit einiger Zeit sexuelle Aktivitäten in diesem Raum beobachtet und auf Film aufgezeichnet, und es gibt keinen Grund« – hier sah er Iris an –, »warum irgend jemand von euch das nicht wissen sollte. Es handelt sich hier um Wissenschaft. Objektiv und unpersönlich. Und notwendig – vergeßt das nicht.«
Iris’ Hand tastete nach meiner, und ich drückte sie, beugte mich zu ihr und strich mit den Lippen über ihr Ohr. Auch sie schwitzte – der Raum war der reinste Backofen –, und ich roch ihren Schweiß, ihren ganz persönlichen flüchtigen Geruch, den Duft, der nur Iris gehörte.
»Und jetzt«, sagte Prok, »möchte ich, daß ihr erst einmal eure Kleider ablegt« – ein Kichern von Hilda Rutledge, die mit ihrem Mann auf der Matratze neben mir saß —, »ganz ungezwungen und ohne Befangenheit. Wir sind schließlich alle erwachsen«, sagte er, und seine Stimme kam jetzt von weiter unten, weil er sich bückte, um Schuhe und Strümpfe auszuziehen, »und außerdem sind wir, im Gegensatz zu den bedauernswerten unterdrückten Menschen, deren Geschichten wir täglich hören, aufgeklärt und ganz darauf ausgerichtet, das zu genießen, wofür wir gemacht sind: sexuelle Beziehungen aller Art, ohne Hemmungen oder Tabus.«
Im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher