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Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Horst-Jürgen Gerigk
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ungeachtet seiner historischen und schaffenspsychologischen Relevanz. Wenn Dr. Jekyll jemals ein Pseudonym des Dichters Dostojewskij gewesen wäre, dann müsste man den Publizisten Dostojewskij einen politischen Mr. Hyde nennen, der als abgespaltene Komponente einer von Widersprüchen heimgesuchten Persönlichkeit auf eigene Faust im hellen Licht der russischen Öffentlichkeit unterwegs ist.

Drittes Kapitel
    Die fünf großen Romane
    Verbrechen und Strafe
    Einstieg
Verbrechen und Strafe. Roman in sechs Teilen mit einem Epilog . Im Deutschen auch unter den Titeln Rodion Raskolnikoff, Schuld und Sühne, Verbrechen und Heimsuchung ( Prestuplenie i nakazanie ). Entstanden Mitte 1865 – Ende 1866; Erstdruck in »Der russische Bote« (Russkij vestnik) Januar – Dezember 1866 (das Dezember-Heft erschien erst am 14. Februar 1867), überarbeitete Erstausgabe Petersburg 1867; Endfassung Petersburg 1877. Verfasst in Wiesbaden, Moskau, Ljubino und Petersburg.
    Der Roman wird von einem imaginären Erzähler vermittelt, der sich ganz und gar dem Sprach- und Wahrnehmungshorizont der jeweils geschilderten Gestalt anpasst. Den weitaus größten Teil des Werks erlebt der Leser aus der Sicht der Hauptgestalt, des Mörders Raskolnikow. Schauplatz der Handlung ist das schwüle und staubige Petersburg Anfang Juli gegen Mitte der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts. Die geschilderten Ereignisse verteilen sich auf nur zwei Wochen. Der Epilog skizziert Raskolnikows Seelenzustand anderthalb Jahre nach der Verurteilung.
    In der Einsamkeit eines engen, sargähnlichen Zimmers fasst der 23-jährige Rodion Romanowitsch Raskolnikow, der sein Jura-Studium abgebrochen hat, den Entschluss, eine alte Wucherin umzubringen und auszurauben. Der geplante Mord wird indessen zum ungeplanten Doppelmord, als Lisaweta, die schwachsinnige und ständig schwangere Stiefschwester der Ermordeten, unversehens auf der Mordstatt erscheint. Völlig verstört verlässt Raskolnikow den Tatort mit einer Handvoll zufällig aufgeraffter Nichtigkeiten, die er auf einem verlassenen Hof unter einem Stein versteckt. Nach der Tat, die sich durch eine Reihe von Zufälligkeiten als perfektes Verbrechen enthüllt, sieht sich Raskolnikow der Tortur wachsender Isolation ausgesetzt. Er erliegt schließlich dem psychologischen Kesseltreiben des Untersuchungsrichters Porfirij Petrowitsch und dem inständigen Zuspruch Sonja Marmeladowas, einer Prostituierten, und stellt sich der Polizei. In den Gesprächen mit Porfirij Petrowitsch, der Raskolnikow argumentativ zu fassen sucht und mit ihm nach allen Regeln der Kunst die Theorie vom Übermenschen diskutiert, ist vornehmlich von der Ermordung der Wucherin die Rede, während bei den Aussprachen mit Sonja, die gegen alles Argumentieren taub bleibt, der zufällige Mord an der gutmütigen Lisaweta in den Vordergrund rückt. Die Beziehungen Raskolnikows zu Porfirij Petrowitsch und Sonja entfalten sich in jeweils drei großen Begegnungen. Die einzelnen Reaktionsphasen Raskolnikows werden durch eine Reihe von Träumen erschlossen, unter denen sich unüberbietbare Bravourstücke des Unerquicklichen und Grausigen finden, herausragend der Traum vom zu Tode geprügelten Pferd (Teil I, Kap. 5). Gassenhauer und Bibelzitat werden von Dostojewskij zu erlesenen Effekten genutzt. Enge Zimmer, dunkle Treppenhäuser, schmutzige Kneipen und die Brücken über dem schwarzen Wasser der Petersburger Kanäle liefern dem Geschehen die bedrückende Folie. Als privative Parallele zur Hauptgestalt hat der 50-jährige Arkadij Swidrigajlow zu gelten, ein auf libidinösen Exzess versessener Psychopath, der sich nur durch den Selbstmord aus seinen düsteren Verstrickungen zu lösen weiß. Um die Haupthandlung und ihre Parallele sind zwei Nebenhandlungen arrangiert: der Niedergang der Familie Marmeladow und das Schicksal Dunjas, der Schwester Raskolnikows, die von Rasumichin, einem fleißigen und vernünftigen jungen Mann, heimgeführt wird. Dostojewskij gelang mit diesem Werk die exemplarische Darstellung des bleichen Verbrechers, der dem Bild seiner Tat nicht standhält. Wesentlich ist die mehrsträngig gehaltene Motivation für Tat und Geständnis, jeweils eine Mischung verschiedenster Absichten. Zudem nistet in Raskolnikows Seele Edgar Allan Poes »Dämon des Widersinns«, der alle Regungen ins Zwielicht vernunftwidriger Anwandlungen rückt. Raskolnikows perfektes Verbrechen lässt seinen Sprung in die Strafe zu einem Akt der Freiheit werden. Mit der in Aussicht
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