Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornröschens Bestrafung

Dornröschens Bestrafung

Titel: Dornröschens Bestrafung
Autoren: Anne Roquelaure
Vom Netzwerk:
ich wieder.
    Doch es hatte keinen Sinn.
Ich konnte nicht feststellen, was vor sich ging - außer, dass das Gespräch
heftig war. Dornröschen hatte den unschuldigsten Ausdruck auf ihrem Gesicht,
und das golden gefärbte Öl hob jede Einzelheit ihrer Figur verführerisch
hervor. Kleiner wirkte sie, runder und vollkommener; und wie sie so in dem
Käfig kauerte, erschien sie wie ein bizarres Geschöpf, importiert aus einem fremden
Land, um in einen Lustgarten gesetzt zu werden. Wir alle mussten so erscheinen.
    „Wir könnten noch immer
gerettet werden“, sagte sie ängstlich.
    „Ich weiß nicht“,
antwortete ich.
    Warum waren keine Soldaten
da? Warum war da nur diese eine Stimme? Ich durfte Dornröschen nicht noch mehr
ängstigen und ihr erzählen, dass wir nun wahre Gefangene waren und nicht
wertvolle Tribute unter dem Schutz der Königin. Schließlich kam Laurent zu sich
und erhob sich langsam. Und eingerieben mit goldenem Öl sah er so schön aus wie
Dornröschen. Es war ein merkwürdiges Schauspiel, in der Tat - all die Striemen und
Streifen, so tief dunkel durch das Gold, dass sie fast wie eine Verzierung
wirkten. Vielleicht waren all unsere Striemen und Streifen nichts weiter als
eine Verzierung gewesen. Sein Haar, so vernachlässigt es auf dem Kreuz der
Bestrafung gewesen war, war nun gepflegt, wunderschön dunkelbraun gelockt und
in Form gebracht. Er blinzelte, als er zu mir aufschaute, und rieb sich den Schlaf
aus den Augen.
    Eilig erzählte ich ihm, was
geschehen war, und zeigte zur Decke. Wir lauschten jetzt alle der Stimme,
obwohl ich glaube, dass niemand sie deutlicher vernehmen konnte als ich. Laurent
schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück.
    „Welch ein Abenteuer!“
sagte er mit einer fast schläfrigen Gleichgültigkeit.
    Dornröschen lächelte bei
diesen Worten und schaute mich schüchtern an. Ich war zu verärgert, um zu
sprechen. Ich fühlte mich so hilflos.
    „Warte“, sagte ich,
rutschte auf den Knien nach vom und griff nach den Gitterstäben, als ich plötzlich
in der Dunkelheit etwas zu hören glaubte.
    „Es kommt jemand.“
    Und schon öffnete sich die
Tür. Zwei der in Seide gekleideten Jungen, die sich um uns gekümmert hatten,
kamen herein. Sie trugen kleine, wie Boote geformte Öllampen. Und zwischen
ihnen stand ein großer, älterer grauhaariger Lord, bekleidet mit einem
Zweiteiler und Stulpen, ein Schwert an seiner Seite und einen Dolch in seinem
dicken Ledergürtel. Seine Augen durchstreiften den Raum fast ärgerlich. Der
größere der beiden Jungen ließ einen Schwall fremdländischer Worte auf den Lord
niederprasseln, und der Mann nickte und bewegte sich mit einem zornigen
Ausdruck.
    „Tristan und Dornröschen“,
sagte er, als er weiter in den Raum getreten war, „und Laurent.“
    Nun schienen die
dunkelhäutigen Jungen mit einem Mal beunruhigt. Sie wandten die Augen ab, ließen
den Lord mit uns Sklaven allein und schlossen die Tür.
    „Das hatte ich befürchtet“,
sagte der Lord. „Und Elena und Rosalinde und Dimitri. Die besten Schloßsklaven.
Diese Räuber haben wirklich scharfe Augen. Die übrigen Sklaven haben sie an der
Küste freigelassen, sobald sie die Besten aufgestöbert hatten.“
    „Was geschieht mit uns,
mein Lord?“ fragte ich.
    Seine Haltung drückte nur
allzu deutlich Ratlosigkeit aus.
    „Das, mein lieber Tristan“,
sagte der Lord, „liegt in den Händen eures Herrn, dem Sultan.“
    Ich fühlte, wie meine Miene
erstarrte. Und Wut schwappte in mir hoch.
    „Mein Lord“, sagte ich, und
meine Stimme zitterte vor Ärger, „wird niemand versuchen, uns zu retten?“
    In meinem Kopf tauchte das
Bild meines Herrn Nicolas auf, niedergestoßen auf die Steine des Platzes, als
das Pferd mich davontrug. Doch das war nur ein Teil meiner Qual. Was lag vor
uns?
    „Ich habe alles getan, was
in meiner Macht steht“, sagte der Lord. „Ich habe ein enorm hohes Pfand für
jeden von euch festgelegt. Der Sultan wird fast jeden Preis für pralle,
weichhäutige gutgeübte Sklaven der Königin zahlen, aber er liebt sein Gold
mindestens ebenso sehr wie sich selbst. Und in zwei Jahren wird er euch gutgenährt,
bei bester Gesundheit und unversehrt zurückgeben. Andernfalls wird er sein Gold
nicht wiedersehen. Glaube mir Prinz, dies ist schon Hunderte Male zuvor
durchgespielt worden. Wäre es mir nicht gelungen, sein Schiff abzufangen, hätten
sich meine und seine Abgesandten getroffen. Er will keinen wirklichen Streit
mit der Königin. Ihr habt euch niemals in wirklicher
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher