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Dornröschengift

Dornröschengift

Titel: Dornröschengift
Autoren: Krystyna Kuhn
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doch sicher Angst vor ihrer Mutter. Das wäre ein triftiger Grund auszureißen.« »Sie ist ja nicht erwischt worden«, stellte ich fest. »Sie hatte lediglich Glück«, gab er zurück. Ich spürte den Wunsch, Jamaica zu verteidigen. »Wir hatten vor, es zu bezahlen. Heute noch hätte ich ihr das Geld gege ben.« Ich sprach immer schneller. »Sie sollte doch dieses schreckliche Kleid ihrer Mutter tragen. Damit konnte sie in kei nem Fall beim Abschlussball erscheinen. Sie hätte ausgesehe n wie ein Sofakissen. Dieser Abend, er war extrem wichtig fü r sie. « Herr Berger musterte mich nachdenklich . »Wer war ihr Partner für den Abend? « Ich zögerte. »Finn Jansen. « Ich hörte, wie meine Mutter tief Luft holte. Dabei hatte sie kei ne Ahnung, aber auch gar keine . »Sie hat also für ihn dieses Kleid geklaut? Das ist interessant , denn du weißt ja sicher…wir haben seine Reifenspuren im Ge spensterwald entdeckt. « Es stimmte also doch! Sie hatten seinen Roller beschlagnahm t oder zumindest überprüft . Mein Herz schlug laut. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass kei ner das hörte. »Finn fährt dort immer herum«, verteidigte ic h ihn instinktiv. »Er fotografiert. « Herr Berger musterte mich abwartend . »Wolltest nicht zuerst du mit Finn Jansen zum Ball gehen? « Ich starrte ihn erschrocken an . »Du möchtest wissen, woher ich das habe?« Er lächelte. »Nun , du vergisst, meine Tochter geht mit dir in dieselbe Klasse. Au ßerdem hat Finn selbst es mir erzählt. Du durftest nicht mit ih m gehen, weil es diese Gerüchte gab, er sei schuld an Lisas Tod. « Ich hoffte, er würde mir nun einen Beweis liefern für Finns Un schuld, doch das tat er nicht . Stattdessen meinte er: »Also, mit wem wollte Jamaica nun ei gentlich auf den Ball? Für wen hat sie das Kleid gestohlen? « Ich hob den Kopf. Da war plötzlich dieses Gefühl in mir, mic h rächen zu wollen. »Sie hat es für Tom geklaut«, fauchte ich . »Und wenn ihr es genau wissen wollt, er hat gelogen. Er is t nicht am 30. April in Rostock gelandet, sondern schon eine n Tag früher. «
    Ich war überrascht über die Wirkung. Ein großes Schweigen, dramatischer als jeder Trommelwirbel. »Woher weißt du das?«, fragte meine Mutter. »Ich weiß es eben«, erwiderte ich. Mein Vater stand auf, trat an meinen Stuhl und legte die Hände auf meine Schulter. »Was willst du damit sagen? Dass Tom et was mit Lisas Tod oder Lenas Verschwinden zu tun hat?« »Jamaica«, stieß ich zornig hervor. »Sie will Jamaica genannt werden. Sie hasst den Namen Lena.« Niemand antwortete, also redete ich einfach weiter. »Ja, Jamai ca ist total in Tom verknallt. Sie würde alles machen, um ihm zu imponieren. Aber etwas stimmt nicht mit ihm. Warum behaup tet er, er sei erst am 30. April angekommen? Ich glaube jeden falls, dass ich ihn schon am Tag davor gesehen habe. An dem Abend von Lisas Verschwinden.« Nun erhob sich Mam. Ich spürte bis zum Ende des Tisches, wie sie am ganzen Körper zitterte. »Geh sofort in dein Zimmer!« Ihre Stimme überschlug sich. »Nein, lass sie!« Mein Vater hob energisch die Hand. »Sie erzählt nur, was sie weiß.« Mam schüttelte den Kopf. Sie sah aus, als ob sie gleich anfan gen würde zu weinen. »Tom ist unser Gast. Du kannst ihn doch nicht einfach …« Im Flur klingelte das Telefon lange und anhaltend. »Warum …«, fuhr meine Mutter aufgeregt fort. »Warum bist du nicht zu uns gekommen und hast uns davon erzählt?« »Weil du mir nie zuhörst! Weil du dich einen Scheiß darum kümmerst, wie es mir geht. Die ganzen Monate, seit Mike… seit Mike ertrunken ist, hast du kein einziges Mal gefragt, wie es mir geht.« Ich sprang auf. »Ich weiß noch etwas und alle sol len es erfahren. Mike war gar nicht mein Bruder. Ihr habt uns immer nur angelogen. Mike hat es gewusst. Deshalb ist er nach Australien gegangen.« Ich holte tief Luft. Das Telefon schrillt e laut im Flur, doch niemand bewegte sich. Alle starrten mic h entsetzt an. »Warum sollte ich ausgerechnet euch etwas erzäh len? Vielleicht seid ihr ja auch nicht meine richtigen Eltern. « Dann rannte ich aus dem Zimmer, den Flur entlang, wo ich ent fernt wahrnahm, wie der Anrufbeantworter ansprang und je mand englisch sprach . Ich riss die Haustür auf, schnappte mir mein Fahrrad und floh . Ich fuhr einfach los . Immer geradeaus, die Straße entlang . Nun, da alles verworren, unklar, rätselhaft war, hatte sich de r Nebel aufgelöst . Der Himmel – er war einfach nur blau . Ein zu schöner
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