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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter
Autoren: Josephine Pennicott
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Sie war nicht geschaffen für das Haus – hatte keinen Funken Kreativität in sich, außer man versteht darunter Blumenarrangieren, Kartenspielen und unsere Mutter anderen Leuten gegenüber zu beschreiben. Offensichtlich bist du, Sadie, die Richtige für das Poet’s.«
    Sie ist verrückt, aber harmlos . Sadie versuchte, ihrer Tochter diesen Gedanken stumm zu vermitteln. Ob das wohl von Thomasinas Kinderlosigkeit herrührte, und daher, dass sie keine Freunde hatte? Oder vielleicht lag Wahnsinn ja einfach in der Familie.
    »Glaubst du, Pearls Geist ist hier?«, erkundigte sich Betty.
    Beim Namen ihrer Mutter verschloss sich Thomasinas Gesicht. »Mum mag vielleicht gerne geglaubt haben, dass das Poet’s Cottage ein Teil von ihr war, aber das stimmte nicht. Sie glaubte, alles existierte nur für sie, aber das Haus gehört niemandem. Es hat seine eigene Seele. Es sucht sich aus, von wem es betreten werden möchte.«
    »Dann hat es dich also nicht ausgewählt, dort zu wohnen?«, wagte Sadie zu fragen.
    »Wir respektieren einander«, antwortete Thomasina. »Das Haus weiß, dass ich in der Nähe bin und mich um es kümmere. Nein, es hat mich nie zum dort Wohnen ausgesucht.«
    »Ich schreibe ein Buch über Pearl«, sagte Sadie vorsichtig.
    »Was für eine Verschwendung deiner Zeit«, erwiderte Thomasina scharf. »Die ist doch sicher ein alter Hut? Wer um alles in der Welt sollte sich heute noch für Mutters alberne Hairy Fairies und Gertrude Goanna interessieren? Sie war sowieso nur eine mittelmäßige Schriftstellerin – sie hat nie kapiert, wie Kinder denken. Herrgott, sie hat ja nicht mal ihre eigenen Kinder verstanden. Ihre Geschichten waren so langweilig und weitschweifig. Ich habe Kenny Kookaburra gehasst – als Kind wollte ich ihn am liebsten erschießen.«
    »Das Interesse an Pearl ist groß«, beharrte Sadie. »Sie hat sogar ihre eigene Fan-Website. Pearltatlow.com.«
    »Die Leute haben heutzutage zu viel Zeit. Ich vermute, Fernsehen und Handys weichen ihre Gehirne auf. Nicht wie zu meiner Zeit. Wir brauchen noch einen weiteren großen Krieg, um all die Idioten auszusortieren. Oder um alle auszulöschen und den Planeten den Kakerlaken zu überlassen. Mir haben irgendwelche Verlage wegen Mutter geschrieben, aber ich verbrenne solche Briefe immer. Warum können sie sie nicht in Frieden vermodern lassen? Ich hab wirklich keine Ahnung, was aus diesem Land noch werden soll!« Thomasina brach abrupt ab und verzog angewidert das Gesicht. Der Himmel gab ein tiefes Grollen von sich. »Meine Wäsche! Ich hätte sie schon vor Stunden reinholen sollen.«
    »Thomasina, wirst du etwas zu dem Buch beitragen?«, wagte Sadie zu fragen. »Ich muss mit so vielen Leuten wie möglich reden, die sie tatsächlich gekannt haben – und du kanntest sie vielleicht besser als alle anderen.«
    Thomasina stand auf. »Na gut«, antwortete sie ganz unerwartet. »Ich werde mit dir über Mutter reden. Was ich zu sagen habe, willst du aber vielleicht nicht hören oder in deinem Buch verwenden. Meine Mutter war eine geistesgestörte, eitle Hure. Die Welt ist ohne sie viel besser dran. Mögen ihre blöden Figuren in der Vergangenheit verlorengehen. Sie war eine schlechte Autorin und eine noch schlechtere Mutter. Bitte, da hast du den Klappentext für deinen Buchumschlag!«

KAPITEL 2
Die Zeit verändert die Erinnerung
    Sadie und Betty verbrachten den Abend damit, sich an das alte Haus zu gewöhnen, das ächzte und stöhnte, während draußen der Sturm tobte. Jeremy hatte dafür gesorgt, dass es mehr als genug Holzscheite und Späne gab, und Sadie war selbst beeindruckt, wie gut ihr das Feuermachen gelang.
    Sie hatte Ärger erwartet, weil sie ihre Tochter in ein Haus ohne Fernseher gebracht hatte, doch Betty überraschte sie damit, wie begeistert sie die Zimmer erkundete. Immer wieder kam sie mit irgendeinem neuen Schatz, den sie gefunden hatte, zu Sadie gerannt: eine wunderschöne Brosche aus den dreißiger Jahren, eine lange Perlenkette, eine leere Flasche Shalimar-Parfüm von Guerlain, in der sich noch ein Hauch Duft gehalten hatte. Eine zerfledderte Ausgabe von Dot, die kleinste Haarige Elfe, und das besorgte Krokodil löste bei Sadie eine erneute Gefühlswelle aus. Vorne drin stand nämlich in kindlicher Handschrift geschrieben: Dieses von Mummy geschriebene Buch gehört mir, Marguerite Tatlow .
    Betty fand ihre schluchzende Mutter und nahm sie in den Arm. »Bitte, Mum, wein doch nicht. Ich bin sicher, Oma ist jetzt bei Pa und sehr glücklich,
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