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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition)
Autoren: Philippa Gregory
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musste ihm das Haus York abspenstig machen.»
    «Pass auf, dass du dir nicht die angeheiratete Neville-Verwandtschaft abspenstig machst», erwidere ich scharfsinnig. «Ich bin die Tochter des Königsmachers. Im Norden folgen dir viele nur aus Liebe zu mir. Selbst heute noch zählt mein Name dort mehr. Wenn sie glauben, dass du mich brüskierst, werden sie dir nicht mehr treu sein.»
    Er küsst meine Hand. «Das werde ich nicht vergessen. Und ich würde dich niemals brüskieren. Du bist mein Herz. Selbst wenn dein Herz gebrochen ist.»
    «War das alles?»
    Er zögert. «Es gibt auch Gerede über Gift.»
    Bei der Erwähnung der Waffe von Elizabeth Woodville erstarre ich mitten in der Bewegung. «Wer spricht von Gift?»
    «Klatsch aus der Küche. Ein Hund starb, nachdem eine Speise verschüttet wurde und er sie aufgeschleckt hat. Du weißt, dass Kleinigkeiten am Hof oft aufgebauscht werden.»
    «Für wen war die Speise?»
    «Für dich.»
    Ich sage nichts. Ich empfinde nichts. Ja, ich bin nicht einmal überrascht. Viele Jahre lang war Elizabeth Woodville meine Feindin, und selbst jetzt, da sie freigelassen wurde und in Frieden in Wiltshire lebt, spüre ich den Blick ihrer grauen Augen im Nacken. Sie wird mich immer noch als die Tochter des Mannes betrachten, der ihren geliebten Vater und ihren Bruder getötet hat. Und jetzt auch als die Frau, die ihrer Tochter im Weg steht. Wenn ich tot wäre, könnte Richard die Erlaubnis des Papstes einholen und seine Nichte Elizabeth heiraten. Das Haus York wäre wiedervereint, die Woodville wäre wieder Königinwitwe und die Großmutter des nächsten Königs von England.
    «Sie hört nie auf», sage ich leise bei mir.
    «Wer?» Richard wirkt bestürzt.
    «Elizabeth Woodville. Ich nehme an, sie wird verdächtigt, mich vergiften zu wollen?»
    Er lacht laut auf, sein altes impulsives Lachen, das ich sehr lange nicht mehr gehört habe. Er nimmt meine Hand und küsst meine Finger. «Nein, sie wird nicht verdächtigt. Doch es spielt keine Rolle. Ich werde auf dich aufpassen und für deine Sicherheit sorgen. Doch du musst dich ausruhen, meine Liebe. Alle sagen, du siehst müde aus.»
    «Mir geht es ganz gut», versetze ich grimmig und gebe mir ein Versprechen: gut genug, um dafür zu sorgen, dass ihre Tochter nicht meinen Platz auf dem Thron einnimmt.

Westminster Palace, London

Januar 1485
    E s ist der letzte Tag der Weihnachtsfeierlichkeiten – der Tag der Erscheinung des Herrn –, die mir dieses Jahr endlos erscheinen. Ich kleide mich mit besonderer Sorgfalt in mein rotgoldenes Kleid, und Elizabeth, deren rotgoldenes Kleid dem meinen bis in die letzte Einzelheit entspricht, folgt mir in den Thronsaal und steht neben meinem Stuhl, wie um der Welt den Unterschied zwischen der alten Königin und der jungen Geliebten vor Augen zu führen. Ein Maskenspiel wird dargeboten, das die Geschichte des Weihnachtsfestes und der Erscheinung des Herrn erzählt, und dann gibt es Musik und Tanz. Richard und Elizabeth tanzen zusammen, und inzwischen sind sie so geübt, dass ihre Schritte vollkommen harmonieren. Sie besitzt die Anmut ihrer Mutter, niemand kann den Blick von ihr lösen. Mir entgeht nicht, mit wie viel Wärme Richard sie ansieht, und ich frage mich wieder, was Tändelei ist und was Scharade.
    An diesem besonderen Abend einmal im Jahr verwandeln Gestalten sich, und Identitäten verschwimmen. Einst war ich die Tochter des Königsmachers und wuchs in dem Wissen auf, dass ich eine der mächtigsten Ladys des Königreiches sein würde. Jetzt bin ich Königin. Dies sollte meinen Vater zufrieden stellen und auch mich, doch wenn ich daran denke, welchen Preis wir bezahlt haben, fühle ich mich vom Schicksal betrogen. Ich lächele in den Saal hinunter, damit alle wissen, dass ich nichts dagegen habe, dass mein Gemahl Hand in Hand mit seiner Nichte tanzt, die Augen auf ihre geröteten Wangen gerichtet. Ich muss allen zeigen, dass es mir gut geht und dass das heimtückische Gift, das Elizabeth Woodville in mein Essen, in meinen Wein, ja, vielleicht sogar in das Parfüm tropft, mit dem meine Handschuhe parfümiert werden, mich nicht langsam tötet.
    Der Tanz endet, und Richard setzt sich wieder neben mich. Elizabeth geht zu ihren Schwestern, um mit ihnen zu plaudern. Richard und ich tragen auf diesem letzten Fest der Weihnachtszeit unsere Kronen, um deutlich zu machen, dass wir König und Königin von England sind, und damit auch die entferntesten Grafschaften mitbekommen, mit welchem Pomp wir feiern.
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