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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition)
Autoren: Thilo Corzilius
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Leonhrak und später König Fjelding ergab und diesen furchtbaren Krieg mit einem einzigen Befehl beendete.
    Ich hatte nur Augen für das bleiche Gesicht des Elbenmädchens, das so friedlich dreinblickte. Wie sie mit ihrem schwarzen Haar auf meinem Schoß ruhte und nicht mehr atmete. Wie die Wärme von ihrer Haut wich und sich ihre Hand in meiner nicht mehr regte …
    Kannst Du mich beschützen? , hallte es in meinem Kopf nach, was Lia mich bei unserer ersten Begegnung in einer kalten Frühjahrsnacht gefragt hatte. Damals, als sie Zuflucht bei mir gesucht und ich sie ihr gewährt hatte.
    Nein, ich hatte sie nicht beschützen können. Wir hatten Abenteuer und Schlachten geschlagen, waren Freunde geworden, hatten die Freuden und Ängste des jeweils anderen gesehen und geteilt. Aber zu beschützen hatte ich sie nicht vermocht.
    Am Ende war sie es gewesen, die mich beschützt hatte. Mich und alle Menschen, die diesen Tag der Tränen überlebt hatten.
    Während der Staub sich über dem Schlachtfeld legte, weinte ich. Ich weinte so lange und ausgiebig, wie ich es nicht mehr getan hatte, seit ich ein kleines Kind gewesen war.

Postludium
    Worauf es sich zu warten lohnt
    In Wahrheit ist die Hoffnung ein wildes Tier, das sich ungezähmt und mit markerschütterndem Geschrei immer wieder gegen seine Gitterstäbe aus Vernunft wirft.
    Und während Hinck hoffte, dass die Geschichte immer weiter gehen würde – ihn forttragen würde von dem ach so langweiligen Leben des Wirtsjungen – war es schon längst Vormittag geworden. Morgens brachte der Herbst mittlerweile bittere Kälte, obwohl er dann im Laufe des Tages noch immer seine goldene Wärme über die Welt legte.
    Beinahe zweieinhalb Wochen lang hatte Graf Deckard erzählt, immer dann, wenn Hinck Zeit gehabt hatte. Geduldig hatte er zugehört und mitgefiebert. Aber das Rätsel, das ihn eigentlich beschäftigte, hatte er letztlich nicht gelöst.
    »Ich glaube, das ist ein guter Schluss für meine Geschichte«, meinte Deckard schließlich an diesem Vormittag. Und es klang recht zufrieden, wie er es sagte. Als ob jemand ein gelungenes Stück Handarbeit betrachtete. Nur, dass Graf Deckrad dabei versonnen in die Ferne blickte, wo der Himmel in blassen Farben den letzten Hauch des späten Sonnenaufgangs erahnen ließ. Er schien erleichtert, dass er sich das, was ihn im Inneren beschäftigte, zu großen Teilen von der Seele geredet hatte.
    »Wie? Das war’s?«, fragte Hinck beinahe empört. »Aber was ist denn anschließend passiert?«
    Deckard musterte ihn. Eine kleine Lachfalte zeigte die Spur eines Lächelns in seinem Gesicht an. Es schimmerte etwas von uralter Weisheit darin, obwohl Deckard doch wirklich noch sehr jung war für einen Grafen. Doch seine Augen, dachte Hinck. Seine Augen waren so furchtbar alt geworden. Aber sie waren auch milde.
    Und nach allem, was Hinck in den letzten Tagen gehört hatte, war Graf Deckard innerlich in diesem Jahr mehr gealtert als in den dreißig Jahren zuvor.
    »Es ist nicht mehr viel geschehen«, sagte Deckard schließlich. »Serion von Gamar hat seine Fehler in Teilen eingesehen. Natürlich ist er immer noch ein hochtrabender und viel zu stolzer Mann, wie ich finde. Aber Linus intrigante Einschmeicheleien hatten ihn benebelt. Wer weiß, welche magischen Lieder Linus überhaupt ersonnen hatte, um die Welt um ihn herum zu kontrollieren? Bedauerlich ist es bloß, dass es das Leben derart vieler guter Menschen und Elben kosten musste, bis das Eherne Reich endlich wieder zueinander gefunden hat.«
    Hinck nickte bedrückt. Immer wenn die erzählende Stimme Deckards vor schmerzlicher Erinnerung bebte, war es ihm beinahe unangenehm, zuzuhören. Und noch viel unangenehmer, den Graf überhaupt gefragt zu haben.
    »Was hatte es denn nun mit den Insignien auf sich?«, wollte Hinck schließlich doch noch wissen.
    »Das ist eine gute Frage«, meinte Deckard. »Und ich habe sie mir auch schon oft gestellt in der letzten Zeit. Vielleicht hatte Linus den alten Zauber tatsächlich von ihnen entfernt. Vielleicht mussten sie ihren Zauber aber auch gar nicht mehr zur Entfaltung bringen, weil der Fortbestand des Reiches ja nicht mehr in Gefahr war, als König Fjelding auf dem Duain Lar zu uns stieß. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte Serion das weitere Blutvergießen bereits unterbunden.
    Letztlich bleiben sie wohl nur Symbole, Hinck. Symbole eines Reiches, wie es einst gedacht war. Und wer weiß, vielleicht wird es ja auch wieder ein wenig so?«
    »Aber warum
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