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DoppelherzTOD

DoppelherzTOD

Titel: DoppelherzTOD
Autoren: Henner Kotte
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gehofft, dass er Brigitta an jenem Tag zum letzten Mal gesehen hatte.
    Jetzt saß sie vor ihm und lächelte mit einem Charme, der Kain sichtlich beeindruckte. Aber der sah Brigitta zum ersten Mal. Ehrlicher verstand die Faszination, er war ihr selbst erlegen.
    »Bruno, die steht auf dich.«
    »Ich steh auf Frederike.«
    »Sie aber wohl nicht mehr auf dich. Jedenfalls habe ich ihr Verhalten so interpretiert. Ich darf nicht einmal deinen Namen mehr nennen. Aber bei dieser Frau vor uns hast du ja alle Chancen. Mensch, nutz sie!« Auch Walter nickte.
    »Kannst du nicht einfach deinen Mund halten?«
    Wenn Brigitta das hörte, wäre sie wahrscheinlich sehr stolz, und sie folgte ganz bestimmt ihrem Gespräch. Nur Ehrlicher wusste, dass er hinter einer Mörderin saß. Vielleicht war das Wort so nicht gerichtsverwertbar, aber Brigitta Johannsen hatte zwei Menschen vergiftet. Er hatte Agnes Schabowski nichts von seinen Vermutungen berichtet. Wer wollte nachweisen, dass wirklich erst Brigitta das Glas Apfelsinen-Zitronen-Marmelade Hans-Jürgen und Margot auf den Frühstückstisch gestellt hatte, das vorher drei Jahre in ihrem Regal gestanden hatte? Sie musste nur behaupten, sie wisse von nichts. Sie würde leugnen, dass Meta Porstmann sie gebeten hatte, ihrem Hans-Jürgen den letzten Weg zu erleichtern, wenn er nach ihrem Tode am Leben verzweifeln sollte. Ehrlicher war sicher, dass es genauso abgelaufen war. Erst als Margot alle Hoffnungen Brigittas auf diesen Mann zerstört hatte, schritt sie zur Tat. Die Heimleitung und die Polizei hatten die Tode als Selbstmorde zu den Akten genommen. Ehrlicher würde Agnes R. Schabowski nie die ganze Wahrheit sagen, er konnte sie ihr zwar darlegen, aber nichts beweisen. Und Brigitta hatte nichts zu gestehen.
    Durch den Mittelgang marschierte der Posaunenchor des Polizei-Blasorchesters. Ein würdiger Herr trat hinter das Pult für die Redner. »Lieber Frieder, ohne dich gäbe es unser kleines Ensemble nicht. Du warst der Mitbegründer unserer Gruppe. Für dich einen letzten Gruß. Mach’s gut, Frieder. Wir werden dich nicht vergessen.«
    Damit griff auch der Redner zu seinem Instrument und zählte vor. Drei. Vier. Die Posaunisten begannen ihr Lied. Ehrlicher kannte es, es war die Arbeiter-Marseillaise.
     
    Wohlan, wer Recht und Wahrheit achtet,
    zu unsrer Fahne steh zuhauf!
    Wenn auch die Lüg uns noch umnachtet,
    bald steigt der Morgen hell herauf.
     
    Brigitta blickte nicht nach vorn, sondern lächelte Ehrlicher an, wollte ihm ins Ohr flüstern. Ehrlicher aber neigte seinen Kopf nicht. »Bei Schicksalsschlägen muss man zusammenstehen.«
    »Ich wünschte, ich hätte Sie niemals kennengelernt.«
    »Aber das hast du doch noch gar nicht, Bruno. Ich habe dir noch vieles zu zeigen.«
    »Vorher werde ich dich anzeigen.«
    Walter und Kain lächelten still und interpretierten das Gespräch offensichtlich völlig falsch, und Ehrlicher musste sie in diesem Glauben belassen. Die Wahrheit wollte er niemandem sagen. Brigitta Johannsen schwieg und konzentrierte sich auf die Musik.
     
    Auf denn, Gesinnungskameraden,
    bekräftigt heut aufs Neu den Bund,
    daß nicht die grünen Hoffnungsaaten
    geh’n vor dem Erntefest zugrund.
     
    Kein Mensch im Saal sang mit, dabei standen Ehrlicher alle Strophen vorm Auge. Hosfeld hatte das Lied oft zum Besten gegeben, ganz in der Tradition alter Kämpfer. Ehrlicher hatte mit dieser Tradition nie etwas anfangen können, auch mit Posaune und Blasmusik nicht. Hosfeld hatte seit Kindertagen dieses Instrument gespielt, erst in der Kirche, dann in der Freien Deutschen Jugend, schließlich war er Mitbegründer des Polizeiblasorchesters geworden.
    Brigitta Johannsens Finger klopften den Rhythmus auf die Lehne des vor ihr stehenden Stuhls. Diese Hand hatte ihn gestreichelt, und er hatte sie sogar dazu herausgefordert. Ehrlicher konnte es noch immer nicht begreifen. Er sah Frederike vor sich. Er spürte ihre Ohrfeige, als hätte sie ihm die gerade gegeben.
    Brigitta konnte er nur drohen und hoffen, dass sie von ihm abließ. Sie hatte ihn nie besessen, und sie würde ihn nie besitzen. Er wusste, was sie getan hatte. Aber sie wusste nicht, dass er es ihr nicht beweisen konnte. So blieb nur die Drohung. Ehrlicher war sich nicht gewiss, ob sie auch ausreichte, dass Brigitta ihm nicht mehr zunahekam. Er wollte sie einfach vergessen, und dieser ungeklärte Todesfall würde im Archiv vermodern.
    Der Posaunenchor verließ das Podium mit leisen Schritten. Ein Herr mit Brille und
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