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DoppelherzTOD

DoppelherzTOD

Titel: DoppelherzTOD
Autoren: Henner Kotte
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Pauschalkraft. Nur bei Koch und Köchin herrschten andere Kriterien, sie hatten keinen Publikumskontakt. Kain war Kellner und befand sich in der Probezeit, auch wenn Frederike beteuerte, dass er diese bereits überstanden habe.
    »Sächsische Kartoffelsuppe und Schnippelwurst«, sagte der junge Mann mit geschorenem Kopf. Er sah aus wie ein Vertreter in Eile vor seinem nächsten Termin.
    »Normalo oder maximo?«
    »Sie sprechen kein Deutsch?«
    Die Glatze lächelte. Kain spürte die Augen Frederikes. Er hatte nie verstanden, warum in der Speisekarte nicht Teller oder Terrine stand. Und wenn sächsisch und Schnippelwurst, dann sollte Dialekt und nicht spanisch im Menü gedruckt stehen. Kain atmete durch und ignorierte die Frage, hoffte, dass er nicht gestresst klang, sondern sehr höflich: »Wir bereiten die Suppe nach hauseigenem Rezept. Wie bei Muttern. Lecker.«
    »Nu, dann nähmsch’s Magsimale.«
    Kain konnte nicht entscheiden, ob der Vertreter weiter provozierte oder einfach gut drauf war. »Was wünschen der Herr zu trinken?«
    Der Gast überlegte, und Kain empfand sich wieder einmal als schlechten Schauspieler. So gut es Frederike auch meinte, er fühlte sich unwohl und zweifelte daran, dass er als Kellner im Café sein Lebensglück finden würde. Flüssig würden ihm die Floskeln, Angebote und der Small Talk nie über die Lippen kommen. Aber auf dem Arbeitsamt hatte man sofort abgewunken. Selbst gekündigt – selbst Schuld. Wer gibt so einen Job freiwillig auf! Polizist mit sicherem Gehalt. Das ist blanke Unvernunft! Mit Stütze können Sie in drei Monaten rechnen. Drei Monate! Kain hatte Familie. Er liebte Eva, und Felix wurde mehr und mehr zu seinem eigenen Sohn. Kain trug Verantwortung, und er wollte sie tragen. Als Familienoberhaupt musste er arbeiten, dass nur Eva das Geld verdiente, hätte Kain niemals ertragen.
    »Ein Schwarzes.«
    »Ein Jarosover schwarz. Kommt gleich.«
    Kain sah Frederikes Lächeln. Sie lachte ihn aus. Das Tablett knallte er, lauter als gewollt, auf die Theke. Die Chefin hielt ein Glas unter den Zapfhahn. Die Aushilfskraft neben ihr biss vor Heiterkeit ins Wischtuch. Jedenfalls deutete Kain Isabells Reaktion so. Erstes Semester Betriebswirtschaft, und keine drei Wochen länger als er machte sie diesen Job hier. Er hätte Frederikes Angebot nicht annehmen sollen. Er hätte andere Arbeit gefunden. Aber so auf die Schnelle? Bruno hatte ihm zugeredet. Frederike hatte nichts dagegen. Jetzt ärgerte sich Kain.
    »Jarosover schwarz? Habe ich richtig verstanden?« Frederike ließ das Bier schon ins Glas laufen.
    »Stehe ich unter Beobachtung?«
    »Das spielt sich ein.«
    Frederike wollte Kain über seine Hand streichen, er entzog sich dieser vertraulichen Geste. Isabell wandte sich ab und polierte Gläser. Wahrscheinlich hatte die einen Lachkrampf. Kain atmete durch und nickte dem Mann am Tisch zu. »Das ist kein Job für mich«, sagte er leise zu Frederike.
    »Isabell, bring das Jarosover bitte zum Herrn am Tisch sieben.« Mit nach unten gezogenen Mundwinkeln übernahm die Pauschalkraft den Auftrag. Frederike lehnte sich über die Theke. »Du arbeitest dich ein, das gibt sich. Anfangsschwierigkeiten. Oder willst du nicht mehr?«
    Kain war sich nicht sicher, ob er nicken sollte. »Ich weiß überhaupt nicht, was ich will.«
    Wenn die Antwort Frederike enttäuschte, zeigte sie es nicht. »Privat alles okay?«
    »Frau und Kind sind gesund.«
    »Wenn du nicht willst… Du musst nicht bei mir… Ich meinte nur… und Bruno dachte auch, dass wir dir helfen.«
    »Ach, Scheiße!« Im Büro hätte Kain mit den Türen geknallt und wäre bei Gabi ums Eck Kaffee trinken gegangen. Solche Auszeiten konnte er im Waschsalon nicht nehmen. Oder er getraute es sich nicht bei Frederike. Isabell schlurfte vom Herrn am Tisch sieben zurück und widmete sich wieder hingebungsvoll dem Polieren der Gläser. Frederike schob Kain eine Schachtel Zigaretten zu. Er rauchte wieder, in Stresssituationen hatte er es immer getan, und ging vor die Türe.
    Kain hatte sein Leben grundlegend geändert. Job, Familie, Freizeit, alles. Kein täglicher Weg mehr ins Polizeipräsidium. Keine Leichen am Morgen, Mittag oder Abend. Kein Wühlen in privaten Katastrophen, kein Frust mehr über die Ungerechtigkeit der Welt. Kain hatte fast alle Brücken hinter sich abgebrochen. Für Felix und Eva wollte er da sein, wollte als Familienvater seinen Beitrag leisten. Manchmal, aber nur manchmal, bereute er, den Polizeidienst quittiert zu
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